Dass ausgerechnet Martin Balluch (43) einmal wegen Tierquälerei verurteilt worden ist, klingt wie ein Treppenwitz seiner eigenen Geschichte. Vor drei Jahren verdonnerte ihn ein Richter zu 550 Euro Geldstrafe, weil er Jäger daran gehindert hatte, Zuchtfasane zu erlegen. Die Tiere entkamen in die Wildnis, wo sie wahrscheinlich verhungerten oder gefressen wurden. Und das hätte ihnen durch weidmännisch gezielte Schüsse erspart werden können, lautete die eigenwillige Urteilsbegründung.

Der Verdacht, unter dem der Obmann des Vereines gegen Tierfabriken (VgT) sowie neun andere Tierrechtsaktivisten von anderen Organisationen derzeit stehen, wiegt freilich wesentlich schwerer: Bildung einer kriminellen Organisation. Dafür sind sie bereits 110 Tage in Untersuchungshaft gesessen, bis die Oberstaatsanwaltschaft Wien schließlich entschied, dass eine weitere Inhaftierung unverhältnismäßig wäre. Das Verfahren läuft aber weiter.

Eigentlich könnte DDr. Martin Balluch immer noch in einem Hörsaal Physik oder Philosophie dozieren, so wie er es mehr als zehn Jahre an den Universitäten Wien und Heidelberg sowie an der Eliteinstitution Cambridge getan hat. "Stattdessen stehen wir jetzt hier", sagte seine Mutter vergangenen Dienstag ein wenig traurig vor dem Wiener Landesgericht, kurz bevor sie ihren von U-Haft und Hungerstreik gezeichneten Sohn wieder in die Arme schließen konnte.

Zum radikalen Tierrechtler wurde Martin Balluch nicht von heute auf morgen. Seine Umwelt lag dem Mitbesetzer der Hainburger Au schon immer am Herzen. Während seiner Studienzeit in Großbritannien nahm er an ersten Aktionen gegen die Jagd teil. Für einen verhafteten Mitstreiter erklomm er die altehrwürdige Cambridge-Fassade und entrollte dort ein Protestbanner. Wissenschaftlich mündete seine Überzeugung in die Doktorarbeit "Die Kontinuität von Bewusstsein. Das naturwissenschaftliche Argument für Tierrechte".

Die Balluchs sind eine bürgerliche Familie. Oder besser: Sie waren eine. Fast stahl die Mutter ihrem Sohn vor laufenden Kameras die Show, als sie ihre Enttäuschung über die ÖVP kundtat. Auch Sohn Martin, der gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Harald seit elf Jahren den VgT führt, ist politisch längst anderswo beheimatet. Bei den Grünen darf der Hendlbefreier und Kämpfer für Persönlichkeitsrechte für Menschenaffen nun für die Nationalratswahlen kandidieren. (Michael Simoner/DER STANDARD-Printausgabe, 4. September 2008)