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Der Streit um Brustkrebs-Behandlungen in Graz eskalierte 2005. Jetzt steht ein bekannter Spezialist vor Gericht.

Foto: AP/ FRANKA BRUNS

Graz - Eine Intrige unter Spitzenärzten? Ein Medizinerstreit um Patienten, Macht und Budgetmittel? Oder sind es doch schwere ärztliche Behandlungsfehler? Es ist ein "sehr komplexer" Fall - wie selbst der Staatsanwalt zugibt -, der seit Mittwoch am Grazer Straflandesgericht verhandelt wird.

Im Anklagestuhl sitzt der in der Steiermark bekannte Brustkrebsspezialist Michael S. Ihm wird fahrlässige Körperverletzung unter besonders gefährlichen Verhältnissen sowie die Fälschung von Beweismitteln vorgeworfen.

Michael S. soll bei zwölf Patientinnen schwere Behandlungsfehler begangen und zwei Krankengeschichten nachträglich geändert haben. Michael S. drohen bis zu zwei Jahre Haft.

Zieht brusterhaltende Operationsmethoden vor

Der beschuldigte Chirurg ist dafür bekannt - verehrt und auch umstritten -, dass er brusterhaltende Operationsmethoden vorzieht. Er habe sich aber stets "innerhalb international gültiger Leitlinien befunden", verteidigt der Anwalt. Ärztekollegen, und jetzt auch der Staatsanwalt, werfen Michael S. aber vor, bei Operationen zu wenig Gewebe entnommen zu haben. Die ärztliche Konträrmeinung geht davon aus, dass in den fraglichen Fällen zum Beispiel Brustamputationen sicherer gewesen wären.

Opfer einer Intrige

Der angeklagte Michael S. sieht sich hingegen als Opfer einer Intrige im Kollegenkreis. Im Zentrum der Spannungen stehe seine langjährige Forderung nach einem Brustkrebs-Zentrum in Graz. Mit dieser Idee sei er aber anderen Ärzten am LKH in die Quere gekommen. "Zwei bis drei Kollegen befürchten, dass sie dadurch Patienten verlieren", sagte der Chirurg vor Gericht.

"Richtig, es gab seit 2002 immer wieder fachliche Diskussionen um die Brustkrebsbehandlungen", erinnerte sich der damalige ärztliche Leiter des LKH, Thomas Pieber. Michael S. habe zwar "im Grunde etwas Richtiges gefordert", aber speziell die von ihm selbst geforderte Interdisziplinarität nie eingehalten, was schließlich zu Reibungen geführt habe.

Vergessene Tupfer

Die sehr angespannte Situation am Klinikum - immer wieder tauchten Hinweise auf mögliche Fehlbehandlungen auf - eskalierte 2005, als in einer Patientin zwei vergessene Tupfer entdeckt und diese dem umstrittenen Chirurgen zugeschrieben wurden.

Daraufhin geriet Michael S. immer stärker unter Druck, es wurde ein Operationsverbot verhängt, schließlich wurde er suspendiert. Eine international besetzte Kommission wurde eingerichtet, um alle Fälle des Chirurgen zu durchleuchten. Zug um Zug seien neue problematische Fälle entdeckt worden, sagte Ärztechef Pieber. Der beschuldigte Chirurg kritisierte, dass in dieser Kommission ausgerechnet seine "Feinde", deren Kreise er mit seinem Brustkrebszentrum gestört hätte, vertreten waren. (Walter Müller/ DER STANDARD Printausgabe 4.9.2008)