Was hat Nicolas Sarkozy in Damaskus verloren? Vor gut einem Jahr hatte Vorgänger Jacques Chirac wegen des Hariri-Mordes noch wutentbrannt sämtliche Kontakte zum syrischen Präsidenten Bashar al-Assad abgebrochen. Nun erweist Sarkozy als erster westlicher Staatschef dem nicht gerade zimperlichen Alleinherrscher Syriens die Ehre. Und er hat nicht nur einen guten Grund dafür, sondern gleich mehrere Motive.
Gegen außen geht es Sarkozy darum, die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Syrien und dem Libanon festzumachen. Als frühere Schutzmacht des Zedernstaates fühlt sich Paris nach wie vor zu einer solchen Vermittlung berufen. In Damaskus konnte Sarkozy gestern die ersten Lorbeeren für die Vorarbeit im Rahmen "seiner" neuen Mittelmeerunion abholen. Selbst libanesische Zeitungen wie As-Safir weisen allerdings darauf hin, dass der Libanon-Aspekt Sarkozys "nur als Vorwand für bedeutend wichtigere Dossiers dient". Das mehr oder weniger offen erklärte Ziel des französischen Staatschef ist es, Assad aus der Achse Iran-Syrien-Hamas loszueisen. Deshalb bot er dem Syrer schon im Juli die Rückkehr zur internationalen Salonfähigkeit an.
Assad lud Sarkozy nun nach Damaskus ein - und gleich auch den türkischen Premier Recep Tayyip Erdogan und Scheich al-Thani aus Katar. Der Vierer-Gipfel soll den wiedergefundenen regionalen und internationalen Status Syriens unterstreichen.
Assad erklärte sich auf Wunsch Sarkozys auch bereit, an internationalen Verhandlungen mit dem Iran zur Lösung der Atomfrage zu beteiligen. Auf den Hinweis des Franzosen, dass der Bau einer iranischen Atombombe eine "Katastrophe" wäre und eine "legitime" Antwort Israel provozieren würde, forderte Assad kühl die Befreiung der Region von allen Massenvernichtungswaffen - das heißt auch von den israelischen Atomwaffen. Syrien wolle hingegen zeigen, dass das iranische Atomprogramm nicht militärischer, sondern rein ziviler Natur sei, fügte Assad an.
Brief an Emir weitergegeben
Sarkozy forderte Assad zur Aufnahme direkter Gespräche mit Israel auf. "Sarkozy will Frankreich neben den USA zu einem Mitorganisator direkter Verhandlungen zwischen Syrien und Israel machen", schrieb der Figaro. Assad unterbreitete sechs neue Vorschläge für einen Rückzug Israels von den Golanhöhen und einen bilateralen Frieden. Erdogan lobte diese Initiative ausdrücklich. Sarkozy überreichte dem syrischen Staatschef ein familiäres Schreiben an die franko-israelische Hamas-Geisel Gilad Schalit. Assad gab aber zu verstehen, dass er sich in dieser Angelegenheit nicht als Mittler fühlt und reichte den Brief dem Emir von Katar weiter.
Während sich die selbst ernannten Mittler aus Paris, Ankara und Doha dermaßen häufen, dass sie einander selbst ins Gehege kommen, rücken die Betroffenen in Damaskus oder Jerusalem keinen Millimeter von ihren Positionen ab. (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD, Printausgabe, 5.9.2008)