Als Konsequenz aus dem Krieg in Georgien hat die Türkei eine Kaukasus-Initiative gestartet, von der sie sich eine bessere Konfliktvermeidung erhofft. Der Krieg hatte die Regierung in Ankara zunächst kalt erwischt. Die Türkei ist in Georgien ökonomisch und politisch stark engagiert. Gleichzeitig braucht die Türkei aber auch gute Beziehungen zu Russland. Fast 70 Prozent aller Energielieferungen kommen aus Russland, und die großen türkischen Konzerne haben dort viel Geld investiert.

Premier Recep Tayyip Erdogan versucht deshalb Georgien vor allem humanitär zu unterstützen, ohne die Russen öffentlich hart zu kritisieren. Unmittelbar nach Nicolas Sarkozy reiste er noch während des Krieges nach Russland, um mit seine Amtskollegen Wladimir Putin zu sprechen, von dort aus nach Tiflis und vor zwei Tagen dann nach Aserbaidschan.

Ziel dieser Pendeldiplomatie ist die Einrichtung einer Kaukasus-Gruppe, bestehend aus Russland, Georgien, Aserbaidschan, Armenien und der Türkei. Innerhalb dieser Gruppe soll ein Konfliktregelungsmechanismus entwickelt werden, der im besten Fall bewaffnete Konflikte verhindert. Alle seine bisherigen Gesprächspartner, so Erdogan, hätten Interesse bekundet und weitere Gespräche vorgeschlagen. Aus türkischer Sicht ist die Einbeziehung Armeniens besonders heikel. Seit dem armenisch-aserbaidschanischen Krieg um Bergkarabach Anfang der 1990er-Jahre hat die Türkei ihre Grenze zu Armenien aus Solidarität mit Baku geschlossen. Belastet sind die Beziehungen auch wegen des Völkermordvorwurfs, den Armenien gegenüber den Türken erhebt. Es gibt aber Anzeichen dafür, dass die bislang starren Fronten in Bewegung geraten. Die USA und die Türkei drängen den Präsidenten von Aserbaidschan, Ilham Heydär Aliyew, ernsthaft über Karabach zu verhandeln und den Armeniern ein Angebot zu machen.

Auch die armenische Regierung weiß, dass der Waffenstillstand keine Lösung ist, zumal das Land durch die Besetzung eines Teils von Aserbaidschan bei sämtlichen Kaukasus-Projekten bislang automatisch ausgeschlossen ist. Der neue armenische Präsident Sergej Sarkazjan hat deshalb seinen türkischen Kollegen Abdullah Gül zum Fußball Weltmeisterschaftsqualifikationsspiel Türkei - Armenien am 6. September eingeladen. Es wäre das erste Mal, dass ein hochrangiger türkischer Politiker in die Republik Armenien reist.

Limit für Kriegsschiffe

Erst einmal aber hat der Georgien-Krieg der Türkei neuen Ärger mit den USA eingebracht. Eine inoffizielle Anfrage aus Washington, zwei riesige Lazarettschiffe durch den Bosporus nach Georgien zu schicken, hat die Türkei ebenfalls inoffiziell abschlägig beschieden. Das Problem ist, dass nach dem Vertrag von Montreux, in dem seit 1936 die Passagen von Bosporus und Dardanellen geregelt sind, Kriegsschiffe nur bis zu einer bestimmten Tonnage passieren dürfen. Dieses Limit wurde aber durch die Lazarettschiffe des Pentagons weit überschritten, was unweigerlich Proteste der Russen ausgelöst hätte. Nach einem ersten wütenden Aufschrei aus dem McCain-Lager schicken die USA heute drei kleinere Schiffe ins Schwarze Meer. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul/DER STANDARD, Printausgabe, 4.9.2008)