Bild nicht mehr verfügbar.

Der Journalist Matt Richtel versucht sich mit "Twillern" - einer Kombination aus Thriller und Twitter.

Foto: Archiv

Wer hat heute schon noch Zeit, Wälzer wie "Krieg und Frieden" zu lesen in den kleinen Pausen, die uns U-Bahn-Fahrten oder das Warten auf einen Gesprächspartner im Kaffeehaus erlauben? Matt Richtel, Journalist bei der New York Times, versucht sich darum an einem neuen Medium: Thrillerspannung, Häppchen zu 140 Zeichen serviert. Quasi "nouvelle novel".

Followers

Statt Buch oder Blog verwendet Richtel Twitter. Damit können maximal 140 Zeichen lange Nachrichten in die Welt geschickt werden, wie SMS für eine Gefolgschaft anderer Twitterer, die diese Textströme abonniert haben und auch Followers genannt werden. In den knapp zwei Jahren seiner Existenz hat zwar das Microblog Twitter Web-2.0-Kultstatus erlangt. Was damit aber außerhalb der Fangemeinde anzufangen ist, ist weiterhin Gegenstand von Experimenten wie die von Richtel und ein paar anderer Autoren, die sich an der Form üben; ähnlich wie der Versuch, Mini-Telenovelas von wenigen Minuten Länge für Multimedia-Handys zu produzieren. Richtel arbeitet seit zwei Monaten an seinem Werk, dass er "Twiller" nennt, eine Kombination aus Thriller und Twitter.

Ein Werbegag

Mehr Leser hat er wohl mit seinem Erstlingswerk gehabt, dem Krimi-Bestseller "Hooked" - gerade 400 Followers zählt der Serientäter für seine kleinen Spannungstexte, die nach SMS-Art mit unkonventioneller Schreibweise und Internetkürzeln gespickt sind. Eine andere Verwendung für Twitter haben Fans der Serie "Mad Men" (über die Anzeigenfuzzis von Madison Avenue in den 60er-Jahren) entdeckt: "Unterwegs zu einem Meeting mit @Roger_Sterling" schreibt ein User unter dem Pseudonym Don Draper - beides Charaktere aus der Serie. Draper zählt immerhin 2000 Followers, und auch sein Boss Mr. Sterlin und seine Sekretärin Peggy Olson sind fleißige Twitterer. Möglicherweise ist es ja auch ein Werbegag, wie ihn die Typen in "Mad Men" hätten ersinnen können - man weiß es nicht wirklich, aber offenbar findet sich dafür ein Publikum. Wie auch für die Tweets (=ein Twitter-Eintrag), die derzeit wohl am meisten gelesen werden: Nachrichtenhäppchen zum US-Wahlkampf. (spu/DER STANDARD, Printausgabe vom 4.9.2008)