Ulrike Salinger: "Die Gleichbehandlungs - anwaltschaft bietet Beratungen oder versucht außergerichtliche Lösungen herbeizuführen, die den Vorteil haben, dass es schneller geht."

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Männer beschwerten sich über unterschiedliche Eintrittspreise. Wenn das Gesetz bekannter ist, erwartet Salinger, dass Fälle von sexueller Belästigung "sicher öfter von Frauen eingebracht werden". 

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Wenn Frauen – oder Männer – in ihrem Alltagsleben aufgrund ihres Geschlechtes bei Dienstleistungen oder Gütern diskriminiert werden, hilft die Gleichbehandlungsanwaltschaft weiter. Sie berät Diskriminierte über mögliche weitere Schritte, konfrontiert DienstleistungsanbieterInnen mit dem Vorwurf der geschlechterspezifischen Diskriminierung und weißt auf das Gesetz hin, das nun auch Anspruch auf Schadenersatz vorsieht. Beate Hausbichler sprach mit Ulrike Salinger, Anwältin für Gleichbehandlung, über erste Erfahrungen seit der Gesetzesnovelle und über vom Gesetz festgelegte Ausnahmen.

Hintergrund: Gleiches Recht auf gleiche Kosten und Zugang

dieStandard.at: Wie kann geschlechterspezifische Ungleichbehandlung nachgewiesen werden? Nachfragen allein wird wahrscheinlich nicht reichen.

Ulrike Salinger: Es gibt eine Beweislasterleichterung, was bedeutet, dass – wenn wir das Beispiel des Wohnungsmarktes nehmen – die/der VermieterIn beweisen muss, dass ein anderer Grund als das Geschlecht für eine Benachteiligung ausschlaggebend war. Wenn sich ein sachlicher Grund nicht beweisen lässt, dann kann ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgesetz angenommen werden.

dieStandard.at: Würde es als sachlicher Grund durchgehen, wenn der oder die VermieterIn als Grund angibt, dass eine alleinerziehende Mutter ein zu unsicheres Einkommen hat, weil sie beispielsweise einer – öfter von Frauen verrichteten – Teilzeitarbeit nachgeht?

Ulrike Salinger: Das wäre eine Form der mittelbaren Diskriminierung, wo man sich anschauen müsste, ob so was gerechtfertigt sein kann. Solche Fälle sind immer unterschiedlich und müssen letztlich von der Gleichbehandlungskommission entschieden werden.
Was die Gleichbehandlungsanwaltschaft macht, ist, falls das die betroffene Frau möchte, dass wir Kontakt mit dem oder der VermieterIn aufnehmen, auf Gesetze hinweisen und um eine Stellungnahme ersuchen. Dann gibt es entweder Verhandlungen darüber, ob außergerichtliche Lösungen möglich sind, oder ob ein Antrag an die Kommission nötig ist, die dann feststellt, ob eine Diskriminierung vorliegt. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft bietet also Beratungen oder versucht außergerichtliche Lösungen herbeizuführen, die den Vorteil haben, dass es schneller geht. Ansonsten kann es bis zu einem Jahr dauern und das Gericht ist natürlich mit Kosten verbunden.

dieStandard.at: Wenn man/frau nicht das Gefühl hat, noch Beratung zu brauchen, wie kann Diskriminierung zur Anzeige gebracht werden? Bei der Polizei?

Ulrike Salinger: Nein, das ist ein zivilrechtliches Gesetz, das nicht bei der Polizei angezeigt werden kann. Es gibt die Möglichkeit, dass die Frau oder der Mann selbst einen Antrag bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft stellt, das kann schriftlich relativ formlos gemacht werden. Oder es kann direkt bei Gericht Schadenersatz eingeklagt werden – wobei hier natürlich das Prozesskostenrisiko zu berücksichtigen ist.

dieStandard.at: Welche Erfahrungen haben Sie im letzten Monat gemacht? Zu welchen konkreten Dienstleistungen oder Gütern gab es gehäuft Anfragen?

Ulrike Salinger: Die meisten Beispiele, die wir jetzt im letzten Monat hatten, haben sich auf Versicherungsverträge bezogen. Bei Krankenversicherungen müssen die Beträge jetzt gleich sein, die Kosten und Risiken in Verbindung mit Schwangerschaft, Entbindung und Mutterschaft dürfen nicht mehr einberechnet werden, so dass Frauen mehr zahlen. Dieser Teil der Novelle wurde bereits am 1. Dezember 2007 umgesetzt. Das Problem, das sich hier allerdings stellt ist, dass sich die neuen Bestimmungen nur auf Verträge beziehen, die nach dem 30. November 2007 abgeschlossen wurden. Bei den Verträgen davor ist dieses Gesetz noch nicht anwendbar.

dieStandard.at: Ein Argument für höhere Prämien bei Lebensversicherungen für Frauen ist, dass Frauen schließlich auch länger leben würden.

Ulrike Salinger: Versicherungsmathematische Faktoren dürfen auch jetzt noch zu unterschiedlichen Prämien führen. Wenn die Lebenserwartung ein versicherungsmathematischer Faktor ist, dann wäre das auch nach wie vor erlaubt.

dieStandard.at: Welche anderen Fälle kamen im letzten Monat gehäuft vor?

Ulrike Salinger: Es gab einige Fälle, wo es um Ermäßigungen bei öffentlichen Verkehrsmitteln für PensionistInnen ging, die Frauen teilweise mit jüngerem Alter als Männer erhalten. Diese Beschwerden gingen also von Männern ein.
Auch vorgekommen – ebenso ein von Männern eingebrachter Unterschied – sind Anfragen zu unterschiedlichen Eintrittspreisen für Männer und Frauen bei diversen Freizeiteinrichtungen, wie etwa Diskotheken.
Und einen aktuellen Fall gibt es von einer Frau wegen sexueller Belästigung bei Dienstleistungen – wie etwa in einem Geschäft oder bei Freizeiteinrichtungen -, was jetzt auch verboten ist. Das ist ein Fall, der künftig sicher öfter von Frauen eingebracht werden wird, sobald das Gesetz bekannter ist.

dieStandard.at: Gelten die neuen Regelungen auch beispielsweise für sexuelle Belästigung in der U-Bahn?

Ulrike Salinger: Das ist rechtlich noch nicht ganz geklärt, ob die sexuelle Belästigung nur dann gilt, wenn GeschäftsinhaberInnen belästigen, oder wenn von Kunden oder Kundinnen belästigt wird. Das ist noch eine offene Rechtsfrage.

dieStandard.at: Haben viele Männer Beschwerden eingebracht?

Ulrike Salinger: Ja, es waren natürlich auch Anfragen von Männern dabei, das Gesetz gilt ja auch für beide Geschlechter. Die Anfragen von Männern oder Frauen halten sich in etwa die Waage. Mir ist schon wichtig, dass klar ist, dass das Gesetz für Frauen und Männer ist.

dieStandard.at: Also das Gesetz ist strikt geschlechterneutral formuliert und nicht so verankert, dass es um eine Gleichstellung für Frauen gegenüber Männern geht?

Ulrike Salinger: Es ist geschlechterneutral formuliert. Es steht drinnen, dass geschlechterspezifische Diskriminierungen oder Differenzierungen verboten sind. Es gibt aber Ausnahmen. Nach wie vor erlaubt sind etwa Einrichtungen, die nur für ein Geschlecht angeboten werden, wenn es ein rechtmäßiges Ziel gibt, wie etwa Frauenhäuser. Hier ist das Ziel des Schutzes für Frauen, die von sexueller Gewalt bedroht sind, ein rechtmäßiges Ziel. So etwas ist natürlich nach wie vor erlaubt.

dieStandard.at: Anfang August wurde der größte Teil der Anfragen aus dem Bereich des Wohnungsmarktes erwartet. Ist das eingetreten?

Ulrike Salinger: Dass es der größte Anteil ist, kann nicht gesagt werden, aber es ist ein beträchtlicher Teil.

dieStandard.at: Sind sich UnternehmerInnen bewusst, dass sie gegen das Gleichbehandlungsgesetz verstoßen oder ist das Gesetz noch gänzlich unbekannt?

Ulrike Salinger: Dadurch, dass es erst einen Monat in Geltung ist, ist schon noch einiges an Aufklärungsarbeit nötig, bis sich das im Bewusstsein aller DienstleistungsanbieterInnen verankert hat. Nach einem halben Jahr kann man sicher mehr sagen.

dieStandard.at: Wie reagieren DienstleistungsanbieterInnen, wenn sie von der Gleichbehandlungsanwaltschaft mit Vorwürfen der Ungleichbehandlung konfrontiert werden?

Ulrike Salinger: Die Reaktionen sind ganz unterschiedlich. Von der Bereitschaft zu einem Gespräch bis zur Abwehrhaltung, in der alles bestritten wird. Das ist von Fall zu Fall ganz unterschiedlich. Die Reaktionen versuchen wir auch mit unserem ersten Interventionsschreiben raus zu finden, um alles weitere dann darauf aufzubauen und einen weiteren Lösungsweg einschlagen zu können.

dieStandard.at: Wie beeinflusst das Gesetz künftig die Wohnbauförderung?

Ulrike Salinger: Wohnbauförderung ist etwas kompliziert geregelt und Landessache. Deshalb müsste man sich das jeweilige Landesgleichbehandlungsgesetz – in Bezug auf Wohnbauförderung – anschauen, dieses muss aber auch die Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes enthalten.

(Beate Hausbichler, dieStandard.at, 7.9.2008)