Wien - In die juristische Bewältigung der Causa Meinl kommt Bewegung. Die Staatsanwaltschaft Wien hat einen Sachverständigen bestellt für die "Strafsache Julius Meinl, Heinrich Schwägler, Georg Kucian und Karel Römer" , die unter der Aktenzahl 608 St 1/08 w anhängig ist. Der Standard betont, dass für alle die Unschuldsvermutung gilt.
Staatsanwalt Karl Schober hat Thomas Havranek ausgesucht, er ist "Wirtschaftstreuhänder, Steuerberater und gerichtlich beeideter Sachverständiger aus dem Fachgebiet Sicherheits- und Risikomanagement, Compliance, Corporate Governance, Steuer- und Rechnungswesen" in Wien. DieBestellung erfolgte am 27. August - just am Geburtstag des 39-jährigen Juristen. Sein Vater Günther, ebenfalls Wirtschaftstreuhänder sowie imVorstand des Vereins "Rettet den Stephansdom" , war übrigens lange Jahre Aufsichtsrat der Bank Austria.

Drei Fragen sind zu klären

Havranek jun. muss nun binnen zweier Monate sein Gutachten erstellen, und zwar zu drei Fragen.
Nämlich, "ob und in welchem Umfang Meinl European Land (MEL), Meinl International Power (MIP) und Meinl Airport International (MAI) sowie die Meinl-Bank einem ... Corporate-Governance- Kodex unterliegen" . Weiters soll er klären, "ob und in welchem Umfang Verantwortliche "... unter Verletzung von Compliance und Corporate-Governance-Richtlinien Handlungen zum Nachteil" der Eigentümer gesetzt oder unterlassen haben.
Antwort auf Frage drei soll klären, "ob ... Mitglieder des Vorstands oder Aufsichtsrats ... die Verhältnisse der Gesellschaft ... unrichtig wiedergegeben..." haben.
Ermittelt wird laut Staatsanwaltschaft gegen "Julius Meinl und verschiedene Vorstandsmitglieder der MEL" . Es gehe "um den Verdacht des Betruges an Anlegern ... insbesondere durch irreführende Werbung (...), irreführende Ad-hoc-Meldungen, Verschweigung von Risikofaktoren ... Verschweigung von Zertifikatsrückkäufen enormen Umfanges, Verschweigung der Gebühren- und Provisionsstruktur des MEL-Geschäftsmodells, Unterlassung der Offenlegung der ... Beherrschungsverhältnisse insbesondere der PPS" .
Zudem wird dem Verdacht der "Verschweigung der Existenz und Rolle der Somal A.V. V." (sie spielt bei den Zertifikatsrückkäufen eine Rolle; Anm.) nachgegangen.
Den Verdacht der Untreue erklärt die Anklagebehörde "insbesonderes durch die nicht veröffentlichte Zertifikate-Rückkaufaktion zu einem überhöhten Preis ... sowie durch die Gebühren- und Provisionsstruktur des MEL-Geschäftsmodells als möglicher Spesen- und Provisionsschinderei" .


Frage nach Spesen-Schinderei


Darüber hinaus besteht laut Ankläger "der Verdacht des Missbrauchs von Insiderinformation (gemäß Börsegesetz), deren Verdacht der Verletzung der Prospektpflicht (gemäß Kapitalmarktgesetz) und der Verdacht der Bilanzfälschung (§ 255 Aktiengesetz)" .
Gerichtsgutachter Havranek wird viel zu tun haben, denn sein Auftrag umfasst fast das gesamte Meinl-Reich, wie die Staatsanwaltschaft schreibt: "Die obigen Ausführungen treffen auf Grund des identen Geschäftsmodells auch für die Unternehmen MIP und MAI zu, auf Grund personeller und wirtschaftlicher Verflechtungen teilweise auch auf die Meinl Bank AG." (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.9.2008)