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Geht gegen die verfassungsrechtlich abgesicherte Zwangsmitgliedschaft in der Wirtschaftskammer nun in Brüssel vor: Hans Peter Haselsteiner, Strabag-Chef.

Foto: Reuters/Bader

Wien - Da marschieren einstige Verbündete und heutige Rivalen wieder Seite an Seite: Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner hat am Donnerstag in Brüssel eine Klage gegen die Zwangsmitgliedschaft der Unternehmen in der Wirtschaftskammer eingebracht. Der liberale Finanzsprecher erhielt dafür prompt die Zustimmung von FPÖ und BZÖ - letztere Partei entstand ebenso wie das LIF aus der Abspaltung von den Freiheitlichen.

Haselsteiner begründet die Eingabe bei der EU-Kommission mit der Unvereinbarkeit der Pflichtmitgliedschaft mit dem Wettbewerbsrecht und der Niederlassungsfreiheit der Union. In der von Rechtsanwalt (und Ex-FP-Klubobmann) Norbert Gugerbauer eingebrachten Beschwerde heißt es, die Wirtschaftskammer fördere mit "staatlichen Mitteln einzelne Mitglieder" , was als verbotene Beihilfe zu werten sei. "Das gilt insbesondere für die finanziell bestens ausgestatteten Wirtschaftsförderungsinstitute der Wirtschaftskammer, die inländischen und ausländischen Wettbewerbern übermächtig gegenüberstehen" , schreibt Gugerbauer.

Haselsteiner echauffiert sich zudem über Aussagen von Kammerchef Christoph Leitl, der die WKÖ als möglichen Partner für die AUA ins Spiel gebracht hatte. "Das zeigt die Geisteshaltung der Kammer" , so der Liberale. Zudem ortet er einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit, weil die Kammerbeiträge die Attraktivität der wirtschaftlichen Entfaltung in Österreich minderten. Hier komme auch der Höhe der Umlagen Bedeutung zu, betont Haselsteiner: Sollte die EU zur Ansicht gelangen, dass die Beiträge rechtskonform sind, könnte zumindest deren Höhe beeinsprucht werden.

Alle Kammern betroffen

Formal könnte in Sachen Niederlassungsfreiheit ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eröffnet werden, das dann wohl vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg enden würde. Die Beihilfefrage kann direkt von Brüssel entschieden werden. Sollte das System gekippt werden, gilt das laut Haselsteiner für "alle Pflichtmitgliedschaften" , also beispielsweise der Arbeiter-, Landwirtschafts-, Apotheker- oder Rechtsanwaltskammer.

Die WKÖ nimmt den Angriff relativ gelassen und verweist auf die bereits vom EuGH festgestellte EU-Konformität der Zwangsbeiträge. Der Gerichtshof hatte 1983 (Fall Vincent Auer, Frankreich) erkannt, dass "Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten, die die Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer vorschreiben, als solche nicht unvereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht" seien. Für Kammer-Generalsekretärin Maria Hochhauser ist der jetzige Schritt mit dem Wahlkampf und den Interessen der Liberalen "leicht zu erklären".

Das lässt Haselsteiner nicht gelten: Der Auftrag für die Beschwerde sei lange vor Beschluss der Neuwahlen gegeben worden. Und immerhin bezahle die Strabag 3,5 Mio. Euro an Kammerumlagen jährlich. Nicht verhehlen will der Baulöwe, dass der Schritt einem "liberalen Ansatz" entspreche. Ob der Vorstoß mit Strabag-Großaktionär Raiffeisen abgesprochen sei, wollte der Konzernchef nicht klar beantworten.

Unmittelbarer Anlass für den Angriff war offenbar die Aufwertung der 14 Kammern, die zu Jahresbeginn in der Verfassung verankert wurden. Das hatte für einen Aufschrei quer durch die Parteien gesorgt. Böhler-Chef Claus Raidl (ÖVP) zählte ebenso zu den Kritikern wie Hannes Androsch (SPÖ). Zum Standard sagte der frühere Finanzminister, die Verfassungsbestimmung für die Selbstverwaltung sei eine "Fleißaufgabe" gewesen, gegen die Zwangsmitgliedschaft habe er aber grundsätzlich nichts einzuwenden. (as, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.9.2008)