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Alltagstauglich sind die auch "Cheetahs" (Geparden) genannten Sportprothesen von Oscar Pistorius nicht. Deshalb wird vor jedem Lauf gewechselt.

Foto: AP/Flüeler

Wien - Oscar Pistorius hat hart um seine Teilnahme an den Olympischen Spielen gekämpft. Vor Gericht sogar erfolgreich. Der internationale Sportgerichtshof in Lausanne (CAS) hob am 16. Mai das vom Leichtathletik-Weltverband (IAAF) über den beidseitig unterschenkelamputierten Südafrikaner verhängte Startverbot auf. Schließlich konnte sich Pistorius aber nicht für den 400-m-Lauf qualifizieren. Auch mit der südafrikanischen Staffel schaffte der 21-Jährige die Norm nicht. Bei den Paralympics verteidigt er seine Titel über 100, 200 und 400 m.

Die IAAF hatte das Olympia-Startverbot mit Wettbewerbsvorteilen durch Pistorius' Beinprothesen begründet. Das Wort Techno-Doping machte die Runde. Der deutsche Biomechaniker Gert-Peter Brüggemann kam in einem im Auftrag der IAAF erstellten Gutachten zu dem Ergebnis, dass die künstlichen Sprinterbeine eine Energieeinsparung von 25 Prozent bewirken. Der CAS folgte dieser Argumentation nicht. Ein unzulässiger Vorteil durch die Prothesen sei in diesem speziellen Fall nicht nachgewiesen worden.

Für Michael Hasenpusch, Forschungsleiter des weltgrößten Prothetikherstellers Otto Bock in Duderstadt/Niedersachsen, ist ebenfalls kein Vorteil gegeben. "Wäre man mit Ersatzgliedern ein besserer Läufer, würden sich alle Hochleistungssportler irgendwann ihre Beine amputieren lassen." Hasenpusch hält Prothesen allenfalls für schlechte Kopien.

Exakte Simulation


Dabei liefert die Prothetik längst Hightech-Produkte. Die modernen Beinprothesen der Paralympics-Athleten erinnern nicht mehr an Käpt'n Hooks Holzbein. "Sportler verwenden rein mechanische Prothesen. Deren Eigenschaften sind exakt auf eine benötigte Funktion ausgelegt", erklärt Hasenpusch. Amputierte Sprinter laufen mit leichtgewichtigen, sichelförmigen Carbonfedern und simulieren damit das Laufbild eines unversehrten Läufers beinahe exakt. Sprinter laufen nur auf den Fußballen. Den künstlichen Sprinterbeinen fehlen daher die Fersen. Im Alltag ist die Sportprothese vollkommen unbrauchbar. Nicht nur aus optischen Gründen, sondern auch der wechselnden Anforderungen wegen. "Die moderne Alltagsprothese denkt mit", sagt Mechatroniker Hasenpusch.

Furore gemacht hat das C-Leg, eine Erfindung der Otto-Bock-Niederlassung in Wien, die 1999 mit dem österreichischen Innovationspreis prämiert wurde. Eingebaute Sensoren und Mikroprozessoren verändern die Protheseneigenschaften bedarfsgerecht in jeder Bewegungsphase. Das Beste an dieser Prothese mit integriertem, computergesteuertem Kniegelenk: Der Amputierte muss seinen Blick nicht permanent auf den Boden heften, um Stolperstellen auszuweichen. Er vergisst so leichter, dass er eine Prothese trägt.

Damit auch der beinamputierte Spitzenläufer geradeaus schauen kann, wurde eine ganz andere Lösung erfunden. "Die mechanische Prothese muss sicherstellen, dass sich vor Beginn der Standphase das Knie in Streckung befindet", erklärt Hasenpusch. Weisen Prothese und gesundes Bein eine identische Gesamtlänge auf, bekommt der Betroffene durch die Kraftrückmeldung automatisch ein Gefühl dafür, wann er den Boden mit der Prothese berührt.

Beinprothesen sieht man bei Paralympics viele. Wo aber sind die Athleten mit Arm- oder Handprothesen? "Die Ansteuerung dieser Prothesen ist wesentlich schwieriger", sagt Hasenpusch. Zwar sei die Entwicklung myoelektrischer Armprothesen ein Meilenstein in der Prothesengeschichte, ihr Bewegungsmuster aber noch weit vom natürlichen Vorbild entfernt. Das Problem: Gesteuert werden die künstlichen Extremitäten über verbleibende Muskeln im Amputationsstumpf des Patienten. Mit zwei Eingangssignalen sind derzeit maximal drei Gelenke aufeinanderfolgend ansteuerbar.

Das Ziel ist die Gewinnung zusätzlicher Steuersignale durch eine operative Verlagerung von Nerven in den Kunstarm. Dem Anwender stehen bis zu sieben Gelenke gleichzeitig zur Verfügung.  (DER STANDARD, Printausgabe, Freitag, 5. September 2008, Regina Philipp)