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Premier Stanischew auf der Baustelle des Atomkraftwerks in Belene.

Foto: Reuters

Als Bulgariens Regierungschef Sergej Stanischew am Mittwoch den Baubeginn des zweiten bulgarischen Atomkraftwerks in der nordbulgarischen Stadt Belene als "größtes Industrieprojekt der letzten 18 Jahre" feierte, sprach Oppositionsführer Bojko Borrisow, der Bürgermeister von Sofia, von einer "populistischen PR-Aktion". Denn der Bau des ersten Reaktors soll erst im März 2009 beginnen. Und die Kontrollbehörde in Sofia hat das Projekt des russischen Unternehmens Atromstrojexport noch nicht einmal genehmigt.

Bulgarien will wieder Energieexporteur werden, nachdem es vor dem EU-Beitritt ein altes Kraftwerk sperren musste. Und Stanischew möchte 20 09 die Wahlen gewinnen. Borrisow auch. Unter dem Motto "Ich bin ein Europäer" will seine Partei Gerb (Bürger für die europäische Entwicklung Bulgariens), die DSB (Demokraten für ein starkes Bulgarien) und die UDK (Union der demokratischen Kräfte) am 6. September eine Protestpetition in Form eines Kündigungsschreibens an Stanischew von Bürgern unterschreiben lassen und nach dem 22. September mit bundesweiten Protesten beginnen.

Inkompetenz und Korruption

Den regierenden Sozialisten und Liberalen wird nicht nur Inkompetenz und Korruption auf allen Machtetagen vorgeworfen, sondern auch, Bulgarien nach dem EU-Beitritt blamiert zu haben. Die Regierung sei für die Schäden in Milliardenhöhe verantwortlich, die das Land wegen des "Nichteinhaltens von EU-Regeln" und dem damit verbundenen Stopp von EU-Subventionen erlitten hätte.

Die zwei großen Gewerkschaften KNSB und Podkrepa verhandeln bereits mit der Opposition über alternative Tarifabschlüsse nach einem Machtwechsel. Bei einer Einigung wollen sie unzufriedene Berufsgruppen wie etwa Angestellte in der Transport- und Energiebranche und Ärzte mobilisieren. Von der Regierung um Gehaltserhöhungen geprellte Lehrer und auch die Milchbauern wären für Demonstrationen leicht zu gewinnen.

Protestbereit

Radikale Gruppen wie Ataka, die schon den zweiten Monat in einem Zeltlager im Regierungsviertel demonstrieren, sind ohnehin protestbereit. Die Rechtsliberalen wollen allerdings nicht mit Ataka in einen Topf geworfen werden. Bei eventuellen Neuwahlen würden sie auch keine gemeinsame Koalition bilden. Derzeit sind Ataka und die Gerb nur durch den Wunsch vereint, öffentlichen Unmut gegen die Regierung zu organisieren, die ihrer Meinung nach nicht den Anforderungen einer EU-Mitgliedschaft gewachsen ist.

Mit dem Protestbrief der Opposition ist der Wahlkampf für 2009 jedenfalls eröffnet. Die Sozialisten von Stanischew (BSP) verteilen bereits Zuckerln für ihre Stamm-Wählerschaft, die Pensionisten: Mit Geld aus dem Budgetüberschuss will man 5000 Menschen Gratisurlaub am Schwarzen Meer sichern. Sogar die regierenden Koalitionspartner stellten nach der Veröffentlichung der Gratis-Urlaubs-Idee einige Fragen: Etwa, wer die Tourismusbüros sein werden, die von dem geschenktem Urlaub profitieren würden. (Diljana Lambreva aus Sofia, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.9.2008)