"Ich fühle mich total überwältigt", sagte die südafrikanische Juristin Navanethem Pillay in einer ersten Reaktion auf ihren neuen Job: Seit Montag ist Pillay UN-Hochkommissarin für Menschenrechte. Bisher war die 66-Jährige als Richterin am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag tätig.
Nach der Berufung durch UN-Generalsekretär Ban Ki-moon bestätigte die UN-Vollversammlung die Frau vom Kap in ihrem neuen Amt für vier Jahre. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch begrüßten die Ernennung Pillays: "Sie ist gut geeignet, um weltweit eine kraftvolle Anwältin der Menschenrechte zu sein", betonte HRW-Direktor Kenneth Roth.
Auf Pillay wartet in Genf einer der brisantesten Jobs der Weltorganisation. Bei den Mächtigen erzeugen die Mahnungen für einen besseren Schutz der Menschenrechte oft Zorn und Ablehnung. Diese Reaktionen machten Pillays Vorgängerin als Menschenrechtskommissarin, die Kanadierin Louise Arbour, mürbe: Trotz ihrer Appelle führten die Machthaber im Sudan, in Simbabwe und Birma ihr Schreckensregime fort.
Auch Pillay zog sich schon den Zorn der Mächtigen zu - in ihrer Heimat Südafrika. Ihr Vater war ein Fahrer in den Slums der Hafenmetropole Durban. Als Mitglied der ethnischen Minderheit der Tamilen erfuhr sie als Kind am eigenen Leib die Rassendiskriminierung des Apartheidregimes. "Als Kind und sogar als Erwachsene glaubte ich, dass ich niemals das Ende des Apartheidregimes zu meinen Lebzeiten erleben würde", sagte sie einmal.
Dennoch: Pillay nahm den Kampf gegen die Apartheid auf. Sie studierte Rechtswissenschaften und eröffnete 1967 als erste Frau in der Provinz KwaZulu-Natal eine Anwaltskanzlei. 1982 promovierte sie an der US- Eliteuniversität Harvard.
Nach dem Ende der Apartheid wurde sie als erste farbige Frau als Richterin an Südafrikas obersten Gerichtshof berufen, 1995 wechselte sie zum Ruanda-Tribunal der UNO in Arusha (Tansania), wo sie Richterin und Präsidentin war. Das Tribunal befasst sich mit der Aufarbeitung des Völkermords 1994 in Ruanda.
Einen ihrer Schuldsprüche fällte Richterin Pillay damals auch wegen Vergewaltigung. Der Täter habe "den Geist, den Willen zum Leben und das Leben selbst zerstört", sagte sie. Für Pillay war es erwiesen, dass Vergewaltigung als Kriegswaffe im Völkermord in Ruanda eingesetzt worden war - eine Erkenntnis, die sich erst langsam durchsetzte. (Jan Dirk Herbermann/DER STANDARD, Printausgabe, 5.9.2008)