Fast auf den Tag genau seit einem Jahr sitzen die Islamisten Mohamed M. und seine Ehefrau Mona S. im Wiener Landesgerichtlichen Gefangenenhaus in U-Haft. Die beiden stehen im Verdacht, der al-Qaida angehört zu haben. Der Mann hatte im Internet unter anderem ein "Drohvideo" verbreitet. Im Fall der 21-Jährigen halten namhafte Juristen die U-Haft für nicht mehr gerechtfertigt.

"Die Frau gehört sofort raus! Eine Enthaftung wäre in ihrem Fall unbedingt notwendig, um den beiden das Gefühl zu geben, von der Justiz fair behandelt zu werden", meinte dazu der Wiener Strafrechtsprofessor Frank Höpfel am Freitag im Gespräch mit der APA. Ihre weitere Anhaltung schaffe die Gefahr, aus ihr eine Art Märtyrerin zu machen: "Die Justiz sollte die U-Haft aufheben, bevor sich Leute aufzuregen beginnen."

Selbst aus der Oberstaatsanwaltschaft sind Stimmen zu vernehmen, die dieser Einschätzung beipflichten, zumal der Oberste Gerichtshof (OGH) am 27. August die Urteile der ersten Instanz aufgehoben und eine Neudurchführung des Strafverfahrens angeordnet hatte. Wann dieses über die Bühne gehen kann, steht in den Sternen: Die Akten liegen noch beim OGH, im Straflandesgericht steht derzeit nicht einmal fest, wer den zweiten Prozess leiten wird.

Drohvideo

Mohamed M. hatte im ersten Rechtsgang vier Jahre Haft ausgefasst, weil er mit seinem "Drohvideo" Österreich und Deutschland zum Truppenabzug aus Afghanistan bewegen wollte, Terroranschläge während der Fußball-Europameisterschaft ankündigte und zur Teilnahme am Dschihad aufrief. Über seine Frau wurden im vergangenen März im Wesentlichen deshalb 22 Monate verhängt, weil sie für ihren Mann Übersetzerdienste geleistet hatte.

Wäre ihr Urteil in Rechtskraft erwachsen, würde sich die Frau bizarrerweise vermutlich jetzt schon auf freiem Fuß befinden: In Folge des Haftentlastungspakets von Justizministerin Maria Berger (S) werden Ersttäter inzwischen nach Verbüßung der Strafhälfte grundsätzlich auf freien Fuß gesetzt, sofern dem nicht gravierende Gründe entgegenstehen. Zuletzt waren der "Saliera"-Dieb und jener Mann, der vor der US-Botschaft in Wien einen Rucksack mit Sprengstoff deponiert hatte, in den Genuss dieser Regelung gekommen.

Hälfte der Strafe verbüßt

Da ihr die in der U-Haft abgesessene Zeit auf ihre Strafe anzurechnen ist, hätte Mona S. mehr als die Hälfte ihrer 22 Monate verbüßt, die mittlerweile allerdings als fiktiv anzusehen sind: Denn während der OGH bei ihrem Mann mehrere Anklagepunkte bestätigte - unter anderem die Nötigung der Bundesregierung und die Aufforderung zu einer mit Strafe bedrohten Handlung -, wurde das über Mona S. gefällte Urteil zur Gänze aufgehoben.

"Sie gilt somit weiter als unbescholten und sitzt seit der OGH-Entscheidung praktisch 'auf Luft' im Gefängnis", gab ihr Verteidiger Lennart Binder im Gespräch mit der APA zu bedenken. Er frage sich, ob die Justiz die 21-Jährige bis zum Verhandlungstermin über weitere Monate in Haft behalten wolle.

Zuletzt hatte das Oberlandesgericht am 25. August einen vom Gericht abgelehnten Enthaftungsantrag des Verteidigers als rechtens bestätigt - einen Tag, bevor der OGH das Urteil der ersten Instanz "kippte". Am vergangenen Dienstag hat Binder einen neuerlichen Enthaftungsantrag eingebracht, der jedoch bisher nicht bearbeitet wurde, da offenbar die Zuständigkeit nicht geklärt ist. (APA)