Zur Person:
Prim. Dr. Thomas Platz,  Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Arzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapeut., ist der medizinisch-wissenschaftliche Leiter der Reha-Klinik für Seelische Gesundheit in Klagenfurt.

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Genauso wie bei einem Burn Out viele unterschiedliche Faktoren zusammenspielen, muss ein entsprechendes Therapieprogramm auch aus vielen Komponenten bestehen. Thomas Platz, medizinisch-wissenschaftlicher Leiter der Reha-Klinik für Seelische Gesundheit in Klagenfurt und künftiger ärztlicher Leiter der dortigen Burn Out-Klinik über die "Erstversorgung" von Burn Out Patienten und ihren weiteren Therapieweg

derStandard.at: Gibt es DIE Therapie für einen Burn-Out-Erkrankten?

Platz: Burn Out ist nur ein Sichtbild für ganz verschiedene Hintergründe. Das Therapieprogramm muss deswegen immer genau abgestimmt werden auf die Persönlichkeit eines Betroffenen, auf Probleme und Schwierigkeiten, die dahinter stecken. Das kann sehr vielgestaltig sein. Erschöpfung, Entfremdung und Leistungsschmälerung sind die Kennzeichen eines klassischen Burn Outs.

Daher muss man abklären: Wie sehen die Arbeitsplatzfaktoren aus, wie die Persönlichkeitsfaktoren. Dann ist zu beachten, welche Burn Out-assoziierten Symptome vorliegen. Ob das jetzt eine depressive Verstimmung ist oder eine ängstliche. Manche Patienten entwickeln ja Angststörungen wie Panikattacken. Mann muss auch abklären, ob körperliche Symptome vorliegen: Gelenkbeschwerden, Magen-Darmbeschwerden, und ähnliches.

Je nachdem, wie dieses Gesamtbild zusammengesetzt ist, muss ein individuelles, maßgeschneidertes Therapieprogramm aufgestellt werden. Eine einzige Therapieform für alles – das gibt es nicht.

derStandard.at: Ein fix zusammengestelltes Anti-Burn Out-Package ist auch nicht sinnvoll?

Platz: Es gibt sowohl bei den Körper- als auch bei den Psychotherapien so gewaltige individuelle Unterschiede, dass es sehr schwierig ist, hier Packages oder Bausteine zusammenzufügen. Man muss es wirklich vor Ort mit der betroffenen Person erarbeiten, um eine möglichst genaue Passung zu erzielen.

derStandard.at: Welche Therapieformen kommen am häufigsten zum Einsatz?

Platz: Die häufigsten Therapieformen sind die, mittels denen der Betroffene zur Ruhe kommt, sich entspannen lernt mittels Muskelrelaxation nach Jackobson oder Shiatsu. Auch Ayurveda- oder Thaimassagen ermöglichen ein sich Fallenlassen.

Nicht Abschalten können und Schlafstörungen – darunter haben Betroffene fast immer zu leiden. Sie müssen die Fähigkeit wiedererlangen, sich zu erholen – und an Substanz zuzulegen. Das ist eine wichtige Komponente. Erst dann, wenn wieder genügend Kraft vorhanden ist, wenn der Schlaf gesichert ist, kann man mit psychotherapeutischen Methoden die verantwortlichen Faktoren, die in der Persönlichkeit des Betroffenen liegen, aufarbeiten. Effektiv ist das Coaching der eigenen Fähigkeiten in Richtung Selbstheilung durch Förderung der Einsicht und durch Übung, eingebettet in eine wertschätzende Begegnung. Entscheidend ist die Wiedererlangung der Selbstwirksamkeit, die im Burnout verloren gegangen ist.

derStandard.at: Ist ein stationärer Aufenthalt notwendig, um ein Burn Out zu therapieren?

Platz: Bei leichten und mittelschweren Formen des Burn Outs mag eine ambulante Behandlung hilfreich sein. Wenn ein schweres Burn Out, etwa ein Erschöpfungszusammenbruch sich abzeichnet oder schon vorliegt, ist ein stationärer Aufenthalt notwendig.

derStandard.at: Wie lange ist die durchschnittliche Behandlungsdauer?

Platz: Da gibt es unglaubliche Unterschiede. Ich kenne Betroffene, die nach drei Tagen, wenn der Schlaf gesichert war, wieder aufspringen und zur Arbeit wollten. Man kann nur versuchen, sie davon abzuhalten – das gelingt nicht immer. Andere sind so erschöpft und ausgelaugt, und leiden unter psychischen und psychosomatischen Störungen, dass sie Wochen bis Monate brauchen. Die Behandlungsdauer liegt also in dieser Bandbreite.

derStandard.at: Anfang nächsten Jahres eröffnet die Burn Out-Klinik in Klagenfurt. Neben Work-Life-Balance und Zeitmanagement-Übungen bieten sie Patienten in der Rehabilitationsphase auch Copingstrategien. Was kann man sich darunter vorstellen?

Platz: Bei Copingstrategien geht es um Stressmanagement: Wie kann ich mich vor Stress schützen oder abgrenzen, wie kann ich mich in Konfliktsituationen so verhalten, dass beide Seiten gut aussteigen, damit ich nicht etwas in mich hineinfressen muss, was mich wieder krank macht.

derStandard.at: Daneben bieten sie auch autogenes Training und imaginativen Übungen. Worin liegt der Unterschied?

Platz: Autogenes Training ist eine kognitive Methode. Ich sage mir vor: „Ich bin ganz ruhig und entspannt" und „mein rechter Arm wird ganz schwer" während ich mir bei der imaginativen Übung schöne Bilder vorstelle, die mir auch vom Betreuer vorgegeben werden: Eine Blumenwiese, einen Ort, an dem ich mich geschützt und wohl fühle.

derStandard.at: Was darf man unter Genuss-Training verstehen?

Platz: Riechen, schmecken, greifen, sehen – all das wird hier wieder neu gelernt, die schönen Dinge des Lebens wahrnehmen. Sinnesorgane, die im Zustand der Erschöpfung nicht gut arbeiten, werden wieder geschärft.

derStandard.at: Wie funktioniert die Stressanalyse mittels SVF?

Platz: SVF ist ein Testverfahren, das in unterschiedlichen Dimensionen erfasst, wie sehr der Betroffene von Stress geplagt ist. Die Stressbelastung kann auch mittels Biofeedback erfasst werden. Atmung, Hautleitwert und Körpertemperatur werden gemessen. Diese Werte sind auch wichtig, um die spätere Erholung zu verdeutlichen.

derStandard.at: Wie sieht der Tagesablauf von jemandem aus, der in Burn Out-Behandlung ist?

Platz: Der Tagesablauf ist nach den Bedürfnissen und Wünschen des Betroffenen zugeschnitten. Im stationären Bereich beginnt das mit der Morgenaktivierung. Das kann Nordic Walking sein oder Kneippen oder Dehnungsübungen. Es finden Gruppentherapien statt, wo die Betroffenen in einer therapeutischen Gemeinschaft lernen, sie spiegeln sich im Nächsten.

Man lernt das Kommunikations- und Beziehungsverhalten, Abgrenzungsverhalten. Auch Einzeltherapie-Gesprächsstunden werden eingesetzt, viel Kreatives, wie Malen oder mit Ton arbeiten. Dazu kommen Bewegungs-, Entspannungs- und Atmungsübungen.
Im akuten Stadium wäre so eine Fülle an Therapieeinheiten aber überfordernd. Hier wird Ruhe forciert und ganz gezielt Entlastung angeboten.

derStandard.at: Wie wichtig sind Medikamente bei der Behandlung?

Platz: Das hängt davon ab, inwieweit Burn Out-assoziierte Störungen vorhanden sind. Wenn depressive oder Angst-Symptome manifest da sind, dann sind Medikamente sehr hilfreich, um diese Prozesse zu unterbrechen und eine Erholung zu ermöglichen.

derStandard.at: Wie hoch liegt die Erfolgsquote bei einer Therapie?

Platz: Hier gilt sicherlich die Drittel-Regel. Das heißt, es kommt bei einem Drittel der Betroffenen zur vollständigen Heilung, bei einem weiteren Drittel zu einer wesentlichen Verbesserung. Bei einem Drittel, dass schon sehr lange an Burn Out-Symptomen und damit unter psychischen und physischen Beeinträchtigungen leidet, braucht es schon sehr langfristige Programme, um diese Menschen da wieder herauszuholen.

derStandard.at: Eine Burnout-Therapie setzt sich nicht nur aus schulmedizinischen Anwendungen zusammen – welche Elemente sind noch wichtig und warum?

Platz: Einige der genannten Therapien, zum Beispiel Ayurveda oder Shiatsu kommen aus dem komplementären Bereich; Yoga und Meditation werden ebenso angeboten. Es sind die östlichen weichen und spirituellen Verfahren, die unsere westliche „Verstandesmedizin" bereichern und manchmal erst wirksam werden lassen. Diese Therapien sind auch wissenschaftlich abgesichert und so fixer Bestandteil des Programms. Der Betroffene braucht endlich einmal nichts leisten, lernt zu genießen, denn auch Gesundwerden kann mitunter anstrengend sein.

(Nicole Bojar/derStandard.at/10.09.2008)