Wien - Der Begriff von Theater als pädagogische Anstalt darf in Sylvia Rotters Wiener Kindertheater durchaus wörtlich genommen werden. Seit 1994 realisiert die Regisseurin und Schauspielerin alljährlich mit einer Hundertschaft an Kindern aller Altersstufen ein Bühnenstück der klassischen Theaterliteratur, das sich in seiner pädagogischen Zielrichtung in erster Linie an die Akteure selbst richtet: Sprachkompetenz und Persönlichkeitsbildung, Team- und Kommunikationsfähigkeit sind die Schlüsselqualifikationen, die hierbei in Workshops erlernt werden und welchen der Unterricht in Schulen oft unzureichend hinterherhinkt.

Im Zuge der Reformdiskussionen über das öffentliche Schulsystem startete Sylvia Rotter gemeinsam mit Prof. Max H. Friedrich (Universitätsklinik für Psychiatrie des Kindes- und Jugendalters) eine Bildungsinitiative, die im Verlauf von drei Jahren wissenschaftliche Erkenntnisse darüber liefern soll, wie sehr die emotionale, soziale, sprachliche und motorische Entwicklung im Kindesalter durch Theaterarbeit verbessert werden kann (im englischen Sprachraum ist das Fach "drama" im Unterricht längst verankert). Das seit Jänner dieses Jahres an zwei Wiener Volksschulen laufende Projekt hat nun erste signifikante bzw. überzufällige (d.h. nicht im Zufallsbereich liegende) Ergebnisse zutage gefördert. So habe sich laut der von Brigitte Sindelar von der Sigmund-Freud-Privatuniversität dokumentierten Studie etwa die Merkfähigkeit um 50 Prozent erhöht, die Aufmerksamkeit um 25 bis 30 Prozent. Die Aggressionsbereitschaft blieb allerdings unverändert. Ob das Projekt im nächsten Jahr fortgesetzt werden kann, hängt derzeit vom Bund als Geldgeber ab. (afze, DER STANDARD/Printausgabe, 06./07.09.2008)