Was mag wohl aus dem Mann geworden sein, der am späten Abend des 12. August den Verdacht auf Diebstahl, Entfremdung unbarer Zahlungsmittel, Urkundenunterdrückung und wer weiß welch schaurige Untaten noch auf sich gezogen hat, ohne dass die Polizei seiner bisher habhaft wurde? Hat er den Inhalt des schwarzen Lederbeutels zu Geld gemacht, so weit er es nicht schon war, und ihn mit liederlichen Freunden verschlemmt? Hat er seinem alten Mütterchen damit eine kleine Freude gemacht oder eine Geliebte damit beglückt? Angesichts der Aufklärungsquote bei Delikten dieser Art werden wir es wohl nie erfahren. Aber wir können uns vorstellen, wie der Entfremder unbarer Zahlungsmittel - es gilt die Unschuldsvermutung - vom Donner gerührt war, als er am 30. August auf die Schlagzeile von "Österreich" stieß, die ihm erst die ganze Tragweite seiner Tat auf das Prickelndste vor Augen führte. Mitten im Nobelrestaurant: Ministerin: So wurde meine Tasche geklaut.'

Die Einschätzung seiner Arbeit als kabarettreif mag er für ungerecht gehalten haben, zumal seine Leistung nicht gerade eine Kleinigkeit war. Eine Ministerin auf seine Art zu entlasten, erfordert an sich schon etwas mehr Elan als derselbe Dienst an einer Rentnerin, und erst recht, wenn es sich dabei um die Polizeiministerin handelt. Auch das Format, das des schwarzen Lederbeutels, bedeutete eine Herausforderung an seine Fähigkeiten. Kabarettreif. Diese riesige Handtasche (Pfeil der Redaktion) stahl Fekter ein Trickdieb vom Sessel.

Wie, das hat die Polizeiministerin nicht bemerkt, aber die Polizei hat es mühelos rekonstruiert: Der Mann gleitet mit dem Sakko an Fekters Tasche vorbei, lässt sie unter seinem Kleidungsstück verschwinden - und entfleucht durch eine Seitentür aus dem Lokal. Erst einige Minuten später fällt der Pressesprecherin der Ministerin auf, dass die Handtasche weg ist. Ob die Formulierung entfleucht dem Sprachschatz hiesiger Kriminalbeamter oder "Österreich"-ischer Reporter entsprossen ist, muss offen bleiben. Der Entfleucher, das darf als mildernder Umstand gelten, war einer Versuchung ausgesetzt, wie sie gerade von einer Polizeiministerin nicht ausgehen dürfte. Diese Tasche (Pfeil der Redaktion, diesmal auf Seite 6) hat der Dieb entwendet. Eine Tasche, die das Verbrechen anzieht. Und eine Pressesprecherin, die weder das Verbrechen noch ihre Ministerin von einer solchen Tasche fernhält! Das gehört zur Arbeit, leidet doch sonst das Image von Law and Order.

Und das ist kein leeres Wort für "Österreich". Eine Tasche, die das Verbrechen anzieht, ist am Arm der obersten Verdachtschöpferin der Nation nicht nur deplaciert, es hat auch Folgen, nachdem sie es angezogen hat. Beim Abendessen wurde Innenministerin Maria Fekter von einem Ganoven die wertvolle Handtasche gestohlen. Jetzt entbrennt ein Streit um die Sicherheit. Die damit verbundenen Zweifel an ihrer Behauptung zunehmender Sicherheit in Österreich hätte sie sich bei Auswahl einer Tasche, die das Verbrechen nicht oder zumindest etwas weniger stark anzieht, ersparen können. Mit dem Raub ihrer Handtasche, der kein Raub war, in einem Wiener In-Lokal sollten auch der Ministerin ernste Zweifel an der Richtigkeit ihrer Zahlen gekommen sein, hoffte "Österreich". Aber die hat schon resigniert. Wenn jemand meine Brille findet, hätte ich sie gerne zurück, gab sie den Rest des Tascheninhalts endgültig verloren - kein Vertrauen in die Polizei.

So musste auch "Österreich" einen Tag später resignierend feststellen: Keine Spur von (Pfeil der Redaktion) Fekters Handtasche. Ob der Täter wusste, wie prominent sein Opfer war? Sein Selbstbewusstsein würde es zweifellos heben, aber wäre das strafmindernd oder strafverschärfend? Zum Trost für Fekter konnte "Österreich" mit einem aktuellen Parallelfall aufwarten. Es war zu Ostern, die rührige Innenstadt-Vorsteherin Ursula Stenzel befand sich gerade auf dem Weg zum - wohin sonst? - Stephansdom, als sie in der Dorotheergasse von zwei "eher jungen Männern" angesprochen und um den Weg gefragt wurde. Dabei klappte einer der beiden schnell einen Stadtplan aus der Tasche und - am Ende fehlte der rührigen Innenstadt-Vorsteherin die Geldbörse. "Ich wusste wirklich nicht, wie mir geschah, ausgerechnet ich fall auf diesen plumpen Trick herein", ärgert sich die für ihre Wachheit gefürchtete VP-Politikerin. Diese Szene dokumentiert "Österreich" sogar auf einem Foto: Stenzel vor einem Rom mit (Pfeil der Redaktion) Stadtplan. Kein Rom käme auf einen so plumpen Trick. (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 6./7.9.2008)