Foto: derStandard.at/Martina Powell

"Manche Menschen verstehen Ironie, manche nicht."

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Spitze Feder: Was seine Arbeitsutensilien betrifft, bevorzugt Lowe die alte Schule

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SPÖ-Chef Werner Faymanns Augenbrauen erinnern Lowe an George W. Bush.

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"Ich bin stolz, Teil der US-Cartoon-Tradition zu sein"

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Eine Minute: Wilhelm Molterer so wie Chan Lowe ihn sieht

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"Wir haben alle Angst, dass es im November wieder ein Riesenchaos gibt."

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"Ich habe einige der neuen Animationsprogramme am Computer ausprobiert, bleibe aber lieber beim Zeichnen."

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Der gebürtige New Yorker Chan Lowe gehört einer bedrohten Art im US-Journalismus an. Als einer von nur mehr 80 "editorial cartoonists" zeichnet er seit 24 Jahren für das Blatt Sun-Sentinel in Südflorida politische Karikaturen. Auf Einladung der US-Botschaft hat der bekennende Obama-Fan in Wien eine Auswahl seiner Werke vorgestellt und erzählt im derStandard.at-Interview, warum Sarah Palin leichter zu zeichnen ist als HC Strache und warum er die umstrittenen Mohammed-Karikaturen für gar keine gute Idee hält.

derStandard.at: Während Sie auf dem Weg nach Österreich waren, hat der Republikaner John McCain die bis dahin weithin unbekannte Gouverneurin Sarah Palin als Vizepräsidentschaftskandidatin auserkoren. Werden Sie, sobald Sie wieder zuhause vor dem Schreibtisch sitzen, die Affäre um Palins schwangere Tochter aufs Korn nehmen?

Chan Lowe: Nicht direkt. Ich finde das auch nicht besonders interessant, viele Mütter haben schwangere Töchter. Mir geht es nicht um die Schwangerschaft, sondern darum, was die Republikaner nun daraus machen. Was ich vor allem spannend finde ist die Frage, was passieren würde, wäre Sarah Palin eine Demokratin und Obamas Running Mate. Die Republikaner würden sie ans Kreuz nageln und sagen, schaut sie an, sie ist ein typisches Beispiel für den mangelnden Familiensinn der Liberalen.

derStandard.at: Haben Sie schon ein Bild von Sarah Palin im Kopf?

Chan Lowe: Ich habe das bisher noch nicht gemacht, es dürfte aber nicht schwer sein: winziges Gesicht, riesige Brille, großer Bienenstock am Kopf. Vielen Dank für diese Brille!

derStandard.at: Sie halten offizielle Porträtfotos der Spitzenkandidaten von Österreichs fünf größten Parteien in Händen. Bei welchem Teil des Quintetts bekommen Sie die größte Lust, zum Stift zu greifen?

Chan Lowe: Als Karikaturist wäre Jörg Haider für mich der einfachste, weil er so extreme Gesichtszüge und ein sehr kantiges Gesicht hat, die Augen sind einzigartig und seine Augenbrauen haben eine sehr ausgeprägte Form. Da ist es leicht, es noch ein wenig auf die Spitze zu treiben. Wäre ich ein österreichischer Karikaturist, würde ich hoffen, dass Herr Strache nicht gewinnt. Er sieht aus wie einer der Baldwin-Brüder, er sieht einfach zu gut aus. Da ist es schwer, zu übertreiben, wie es zum Beispiel bei Barack Obama geht, mit seinen großen Ohren wie aus dem Film "Shrek".

derStandard.at: A propos Obama. Das Magazin The New Yorker hat im Juli mit einem provokanten Cover für Debatten gesorgt, indem es den Demokraten in muslimischer Kleidung gezeichnet hat, flankiert von seiner Frau Michelle, die ein Sturmgewehr schultert, während im Hintergrund die US-Flagge im Ofen brennt. Auch Sie haben Obama schon als muslimischen Schlangenbeschwörer dargestellt, der die demokratische Partei betört. Ist Ihr Publikum intelligent genug für Ihren Sarkasmus?

Chan Lowe: Das ist keine Frage der Intelligenz oder der Bildung, manche Menschen verstehen Ironie, manche nicht. Es ist eher wie ein Gen, das manchen Leuten lockiges Haar verschafft, anderen eine besonders große Statur. Wenn man das Gen hat, versteht man Ironie, wenn nicht, dann eben nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob ich recht habe, aber dafür spricht, dass Menschen aus den verschiedensten Bildungs- und Einkommensschichten und Lebensumständen unterschiedliche Schlüsse aus diesem Cover gezogen haben.

derStandard.at: 2005 lösten die dänischen Mohammed-Karikaturen wütende Proteste in der islamischen Welt aus, der Zeichner erhielt mehrfach Morddrohungen. Wo liegt für Sie die Grenze des guten Geschmacks?

Chan Lowe: Das hat meine Grenze überschritten. Ich glaube nicht, dass darin eine Botschaft lag, die es wert war, eine Gruppe dermaßen zu beleidigen, die es nicht verdient, angegriffen zu werden. Wenn man Mohammed auf diese Art in einem Cartoon darstellt, greift man nicht nur eine kleine militante Splittergruppe an, sondern alle Menschen, die Mohammed als Propheten empfinden. Das ist nicht fair und schadet auch der Botschaft, die dargestellt werden soll. Niemand erinnert sich mehr daran, warum der dänische Zeichner seine Cartoons eigentlich gemacht hat, jeder denkt nur mehr daran, dass er so viele Menschen beleidigt hat. Vielleicht hätte ich mit zwanzig aber auch gesagt, hey, es war ein guter Cartoon, was soll's.

derStandard.at: Die Anschläge vom 11. September 2001 haben das Bild Amerikas in der Welt verändert. Haben Sie sich auch auf Ihre Arbeit ausgewirkt?

Chan Lowe: Es hat vor allem unsere naive Sicht auf die Sicherheit Amerikas verändert. Vor 9/11 dachten wir, es gäbe eine unsichtbare Wand, die alles Böse von uns fernhält. Interessant finde ich, wie George W. Bush damit umgegangen ist, er hätte die Angriffe ja auch zum Anlass nehmen können, sich der eigentlichen Gründe für den Hass auf Amerika zu widmen, stattdessen hat er ein paar Kriege begonnen. 9/11 hat aber auch meine Arbeit verändert, weil ich so wie meine Leser und die meisten Amerikaner die Welt und die Politik seither durch eine Linse der Bedrohung wahrnehme und auch darstelle.

derStandard.at: Es gibt nur mehr etwa 80 Karikaturisten in den USA, die bei Tageszeitungen angestellt sind. Gehören Sie also zu einer aussterbenden Spezies?

Chan Lowe: Ich glaube, dass sich mein Beruf gerade neu erfindet. Das Internet spielt dabei eine große Rolle, manche meiner Kollegen sind auf Animationsfilm umgestiegen, was ich nicht so spannend finde, weil ihm die Unmittelbarkeit eines Cartoons fehlt. Ich habe einige der neuen Animationsprogramme am Computer ausprobiert, bleibe aber lieber beim Zeichnen. Es gibt in den USA eine lange und ruhmreiche Tradition von Karikaturen, die bis zu Benjamin Franklin zurückreicht, der seine eigenen Cartoons gezeichnet hat. Ich bin stolz, Teil dieser Tradition zu sein und hoffe, dass sie noch lange weitergeht.

derStandard.at: Sie leben und arbeiten seit langer Zeit in Florida, 2000 Schauplatz der knappsten Wahlentscheidung der US-Geschichte. Könnte sich das im November wiederholen?

Chan Lowe: Niemand weiß, wie das Rennen in Florida ausgeht, alles hängt von der Wahlbeteiligung ab. Wenn Barack Obama es schafft, genügend neue Wähler dazu zu bringen, sich registrieren zu lassen, könnte sich der Stimmenmix ändern. Das Problem in Florida ist, dass wir die technischen Probleme der letzten Wahlen noch immer nicht gelöst haben. Im Moment verwenden wir einen optischen Scanner, auf der die Stimmen abgegeben werden, bis vor ein oder zwei Jahren gab es einen Touchscreen, der gar nicht funktioniert hat. Wir haben alle Angst, dass es im November wieder ein Riesenchaos gibt, wo niemand weiß, welche Stimmen gewertet werden und welche nicht.

derStandard.at: Wen würde sich der Karikaturist Chan Lowe im Weißen Haus wünschen?

Chan Lowe: Professionell betrachtet ist es mir egal, es ist gleich einfach Obama oder McCain zu zeichnen. Weder Obama noch McCain sind Heilige und wenn ich sehe, dass sie etwas machen, was meiner Meinung nach gegen die Interessen meines Landes verstößt, werde ich das zum Thema machen, da bin ich nicht parteiisch. Beide werden Fehler machen, es ist schließlich der schwierigste Job der Welt und kein Mensch schafft es, ihn ohne Fehler auszuüben. Wenn zum Beispiel Obama 30 Prozent seiner Arbeit gut macht und 70 Prozent falsch, findet sich da genug Stoff. Obwohl 30 Prozent schon ein großer Fortschritt zu dem wären, was bisher der Fall war. (Florian Niederndorfer, Martina Powell/ derStandard.at, 5.9.2008)