Frankfurt am Main/Berlin/Wiesbaden - Vor der angestrebten Wahl der SPD-Politikerin Andrea Ypsilanti zur hessischen Ministerpräsidenten zeigen sich ihre Wunschpartner Grüne und Linke selbstbewusst. Ein kleiner Parteitag der Grünen bekräftigte am Samstag in Frankfurt am Main die Warnung vor Alleingängen der Sozialdemokraten. Zudem müssten die Grünen den Umweltminister stellen sowie SPD und Linke vor Koalitionsverhandlungen Probeabstimmungen durchführen. Die Linkspartei wiederum forderte für den Fall der Tolerierung einer Minderheitsregierung ein Mitspracherecht im Bundesrat. Trotz der sich abzeichnenden Zusammenarbeit von SPD und Linken in dem Bundesland will Kanzlerin Angela Merkel die Große Koalition fortführen.

Es gebe einen Koalitionsvertrag und die Notwendigkeit, sich aufeinander zu verlassen, sagte Merkel am Sonntag dem Deutschlandfunk: "Und gleichzeitig haben wir alle unsere parteipolitischen Ideale, für die wir dann kämpfen, möglichst viel davon umzusetzen." Dass in Hessen Versprechungen nicht eingehalten worden seien, wiege schwerer als Auseinandersetzungen im Wahlkampf. "Aber auch da gilt, der Koalitionsvertrag wird hier weitergeführt und die Arbeit der Bundesregierung." Sie habe keine Sorge, dass die Grundlage für eine Zusammenarbeit zwischen Union und SPD nicht gegeben sei.

Ypsilanti folgt Lafontaine

Ypsilanti hat sich unterdessen dem Linken-Chef Oskar Lafontaine in seiner Forderung nach einer Verstaatlichung der deutschen Stromnetze angeschlossen. Die EU-Kommission fordere schon lange eine Trennung von Produzenten und Netzbetrieb, um den Wettbewerb im Strommarkt zu fördern, hieß es am Samstag in einer Mitteilung in Wiesbaden. Mit einer zu hundert Prozent in öffentlichem Eigentum befindlichen Stromnetzgesellschaft würde Deutschland dem Vorbild von Schweden, Dänemark und den Niederlanden folgen, erklärte sie.

Die hessische SPD-Chefin verwies auf die Diskussion um die Privatisierung der Deutschen Bahn. Alle Parteien im Bundestag hätten sich dafür ausgesprochen, dass das deutsche Schienennetz zu hundert Prozent in öffentlichem Eigentum bleibe. "Was für das Schienennetz gilt, gilt genauso für das Stromnetz", sagte Ypsilanti. In beiden Fällen handle es sich um Kernelemente der Infrastruktur für die gesamte Volkswirtschaft. Rechtlich könnten die Stromnetze in eine Aktiengesellschaft überführt werden, deren Anteile ausschließlich Bund und Ländern gehörten. Derzeit gehören die Stromnetze den vier großen Stromkonzernen RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW. E.ON und Vattenfall hatten bereits den Verkauf ihrer Netze angekündigt.

Klarer Linkskurs

Ypsilanti hatte nach der Niederlage bei der Landtagswahl 2003 die Führung der Hessen-SPD übernommen und sie auf einen klaren Linkskurs gebracht. Nun strebt sie eine Koalition mit den Grünen an, die von der Linken toleriert werden soll. Während Lafontaine sich ebenfalls für eine Verstaatlichung der Stromnetze ausgesprochen und darüber hinaus auch Post und Telekom wieder in Staatsbesitz bringen will, hatte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast eine Verstaatlichung der großen Energiekonzerne abgelehnt, aber deren Zerschlagung gefordert.

Der Grünen-Parteirat beschloss am Samstag mit überwältigender Mehrheit einen Antrag des Landesvorstands, in dem Verhandlungen mit SPD und Linkspartei mit dem Ziel einer Regierungsbildung und Ablösung des CDU-Politikers Roland Koch als Ministerpräsident zugestimmt wird. Teil des Beschlusses ist aber auch eine ausdrückliche Warnung an die SPD, sich nicht "Allmachtsphantasien" hinzugeben. Es genüge nicht, wenn die SPD zur Befriedung ihrer unterschiedlichen Flügel Koalitionsverhandlungen mit sich selbst führe. Diese müssten mit den Grünen "auf Augenhöhe" erfolgen. Über das Ergebnis soll am 2. November eine Landesmitgliederversammlung befinden.

Aus den Reihen der Linken hieß es, eine künftige rot-grüne Landesregierung sei nicht in ihren Entscheidungen frei, wenn es im Bundesrat um Sozialabbau, Stellenkürzungen, Privatisierungen oder einen Militäreinsatz im Ausland gehe. Die SPD hatte in einem am Mittwoch veröffentlichten Eckpunktepapier ein derartiges Mitspracherecht abgelehnt. (APA/AP/dpa/Reuters)