Meinl-Troubles hin oder her: Heinrich Schaller glaubt nicht, dass Anleger ihr Vertrauen in die Börse grundsätzlich verloren haben.

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Die Wiener Börse setzt weiter auf Osteuropa und hofft auf den Zuschlag für die Prager Börse. Übernahmen würden aber keinesfalls feindlich durchgezogen, sagte Börsen-Vorstand Heinrich Schaller zu Bettina Pfluger.

STANDARD: Die Wiener Börse hofft auf den Zuschlag bei der Privatisierung der Prager Börse. Wann erwarten Sie eine Entscheidung?

Schaller: Wir sagen zu Prag im Moment nichts. Außer dass wir nach wie vor Interesse an osteuropäischen Börsen haben, wenn der Wille zum Verkauf besteht und wir auch willkommen sind. Dieses Interesse betrifft auch Prag.

STANDARD: Wie hoch ist der Anteil, um den es in Prag geht?

Schaller: Wir hören, dass es die Mehrheit sein soll.

STANDARD: Sie haben heuer schon 81 Prozent der Börse Ljubljana erworben, Ihr Anteil in Budapest ist auf knapp 40 Prozent gestiegen. Wie profitiert die Börse von diesen Beteiligungen?

Schaller: Wenn man eine Region schafft, kann man Synergien im technischen Bereich heben. Auch im Marketing und in der Regulierung der Märkte kann man zusammenarbeiten.

STANDARD: Welche Synergien sind im technischen Bereich denkbar?

Schaller: Dass etwa die gleiche technische Handelsplattform besteht. Über das gleiche System kann man sich an mehrere Märkten anschließen. Damit ist verbunden, dass der Anschluss für internationale Börsenteilnehmer leichter ist. Und das ist für die Umsatzentwicklung und Liquidität eines Marktes sehr entscheidend.

STANDARD: Wie entwickelt sind die Börsen in Osteuropa? Muss man da noch viel Aufbauarbeit leisten?

Schaller: Jede Börse hat derzeit ihre eigene technische Plattform. Es wird aber definitiv der Tag kommen, an dem die technischen Systeme aufgrund des gehandelten Volumens an ihre Grenzen stoßen.

STANDARD: Sind Kapitalmärkte im Osten bei Privatanlegern etabliert?

Schaller: Österreich ist da viele große Schritte voraus. Insbesondere wenn man sich die Entwicklungen in Ungarn, Ljubljana und Slowenien anschaut. Es wäre günstig, wenn bestimmte regulatorische und wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen noch besser angepasst wären. In Ungarn etwa wären für den Kapitalmarkt weitere Privatisierungen sehr wichtig.

STANDARD: Die Österreicher gelten als Aktienmuffel. Wie hält es die Bevölkerung im Osten mit Aktien?

Schaller: Für Privatpersonen ist das ein Thema, weil es schon viele Privatisierungen über sogenannte Voucher-Privatisierungen gegeben hat. Daraus entsteht das Faktum, dass in einigen Ländern der Prozentsatz der Bevölkerung, die Aktien besitzt, größer ist als bei uns. Das heißt aber nicht, dass sich die Leute wirklich für diesen Markt interessieren. Da bedarf es schon noch Schulungen und Aufklärungsarbeit.

STANDARD: Welche Pläne im Osten hat die Wiener Börse noch?

Schaller: Zurzeit liegen keine konkreten Projekte vor. Aber das Interesse ist ganz massiv.

STANDARD: Wie finanziert die Börse die Zukäufe im Osten? Alles aus dem Cashflow?

Schaller: Zu diesem Punkt kann ich momentan keine Auskunft geben.

STANDARD: Würden Sie Übernahmen auch feindlich durchziehen?

Schaller: Nein, das macht keinen Sinn. Für die Weiterentwicklung des Kapitalmarktes braucht man immer auch die politischen Einrichtungen eines Landes. Wenn man nicht willkommen ist, wird man auch in der Weiterentwicklung nicht sehr weit kommen.

STANDARD: Die Nasdaq hat die skandinavische Börse übernommen. Immer wieder gibt es Interesse an der London Stock Exchange. Sieht sich die Wiener Börse als Übernahmekandidat?

Schaller: Nein.

STANDARD: Interessieren Sie nur Börsen im Osten, oder wollen Sie auch im Westen zuschlagen?

Schaller: Das ist nicht unsere erste Priorität. Würde sich da etwas Besonderes auftun, würden wir es uns aber schon anschauen.

STANDARD: Investmentbanken basteln derzeit an alternativen Handelsplattformen. Erwarten Sie dadurch Konkurrenz für die Börse?

Schaller: Das kann man schwer abschätzen. Außerbörsliche Plattformen gibt es auch im Internet, die Auswirkungen sind gering. Man wird sehen, wie sich die neuen Plattformen entwickeln. Börsen sind aber schon noch etwas anderes und wichtig für die Aufbringung von Eigenkapital.

STANDARD: Erwarten Sie heuer noch Börsengänge in Wien?

Schaller: Das wird schwierig. Die derzeitige Entwicklung ermutigt Unternehmen nicht.

STANDARD: Viele Privatanleger haben mit Meinl-Papieren Geld verloren. Erwarten Sie eine neue Scheu vor Aktien?

Schaller: Klares Nein. Diejenigen, die davon stark betroffen sind, werden wohl nicht so schnell wieder investieren. Im Herbst 2007, als die Meinl-Themen medial am Höhepunkt waren, hat es in Wien drei Transaktionen gegeben, die alle stark im Privatpublikum platziert wurden. Das Vertrauen in den Kapitalmarkt ging nicht grundsätzlich verloren. (Bettina Pfluger, DER STANDARD, Printausgabe, 8.9.2008)