Die extravagant gestylte junge Frau posiert im silberglitzernden Kleid für ein Hochglanzmagazin. Einem erschöpften Formel-1-Rennfahrer hilft sie aus seinem Cockpit. Dann steigt sie im kleinen Schwarzen und hochhackigen Pumps kurz auf ein bulliges Motorrad, um sich schließlich lasziv auf einem Stapel klobiger Reifen hinzustrecken. Weronika Marczuk-Pazura heißt die blonde Frau mit den großen Augen. Sie ist ein Star in Polen. Eine Ukrainerin, die es geschafft hat.
Die meisten ihrer Landsleute in Polen leben ganz anders. In heruntergekommenen Gegenden; meist teilen sich vier bis sechs Frauen eine Einzimmerwohnung. Männer bevorzugen Arbeiterhotels, wohnen aber auch in Bau-containern.
Die meisten Ukrainer in Polen haben nur ein Ziel: Möglichst viel Geld verdienen, um damit in der Heimat ein Haus zu kaufen oder zu bauen. Schätzungen zufolge arbeiteten vor der Schengen-Erweiterung im Dezember 2007 bis zu 500.000 Ukrainer illegal in Polen, meist als Bauarbeiter und Erntehelfer, als Pflege- und Putzkräfte. Noch immer stellen Ukrainer die größte Gruppe unter den Arbeitsmigranten in Polen. Da es schwieriger geworden ist, die Grenze zwischen Polen und der Ukraine zu überwinden, versuchen polnische Unternehmer, ihre zuverlässigen Bau- und Industriearbeiter, Ingenieure und Lkw-Fahrer aus der Ukraine mit legalen Jobs und höheren Löhnen nach Polen zurückzuholen. In den großen Städten wird ihnen inzwischen ein Verdienst zwischen 800 und 2000 Euro monatlich in Aussicht gestellt.
Zum Studieren geblieben
Dass Weronika Marczuk-Pazura einmal von den Titelseiten polnischer Hochglanzmagazine lächeln würde, in TV-Shows ein gefragter Interview-Gast und nun sogar Jurorin bei der populären Show "You can dance!" sein würde, hatte sie sich nicht träumen lassen, als sie 1992 nach Polen kam. Drei Jahre lang schlug auch sie sich mit Gelegenheitsjobs durch, kehrte immer wieder in die Ukraine zurück, bis sie schließlich in Warschau ihr Jus-Studium aufnahm.
Heute leitet die 37-Jährige ein Rechtsanwaltsbüro in Warschau, das auf Medienrecht spezialisiert ist. Demnächst schließt sie noch ein MBA-Aufbaustudium ab. Denn Marczuk-Pazura ist auch Miteigentümerin der Produktionsfirma Sting Communication. Sie produziert Fernsehfilme und -serien für den polnischen Markt, organisiert Marketing-Kampagnen, Rock- und Jazzkonzerte.
Doch ihre Karriere in Polen ist die große Ausnahme von der Regel. Zwar sind die Ukrainer nicht mehr die unbeliebtesten Nachbarn wie noch vor wenigen Jahren, doch die meisten Polen zählen Ukrainer, Weißrussen und Russen noch immer zu den "Ruskis", denen gegenüber sie ein tiefverwurzeltes Gefühl von Überlegenheit und Verachtung hegen. Seit der Orangen Revolution in Kiew schlägt das Sympathiependel aber immer öfter für die Ukrainer aus.
Dennoch gibt es in Polen keine aktive Ausländer- oder gar Integrationspolitik. Dafür fehlt dem Staat das Geld. Weronika Marczuk-Pazura will sich aber demnächst um die Verbesserung der Beziehungen kümmern. Ihr nächstes Ziel: Die Gründung eines polnisch-ukrainischen Zentrums in Warschau. (Gabriele Lesser aus Warschau/DER STANDARD, Pritnausgabe, 9. September 2008)