Bequem oder gar unterhaltsam war sie nicht, diese Eröffnungsvorstellung der aktuellen Saison an der Wiener Staatsoper, thematisiert Jacques Fromental Halévys "La Juive" doch wie kein anderes musikalische Werk des 19. Jahrhunderts den Konflikt zwischen Juden und (vermeintlichen) Christen so radikal wie die 1835 in Paris uraufgeführte Oper. Und obwohl es bereits die 27. Aufführung dieser optisch intelligent mit Schwarz-Weiß-Kontrasten und Räumen arbeitenden Inszenierung Günter Krämers war, wirkte das im stereotyp-alpenländischen Gewand angesiedelte Bühnengeschehen frisch, ja stellenweise sogar mitreißend.

Vor allem Neil Shicoff besitzt stimmlich wie darstellerisch eine ungebrochen starke Bühnenpräsenz. Denn trotz der Klarheit seiner Stimme bringt Shicoff mit großer Überzeugung die Verbitterung und den ohnmächtigen Zorn des jüdischen Goldschmieds Eléazar zum Ausdruck, ja er verschwindet regelrecht in dieser Rolle. Soile Isokoski als dessen vermeintliche Tochter Rachel besitzt zwar nicht ebensolchen Glanz im Timbre, ihre Energie und ihr Ausdrucksvolumen sind vor allem in Momenten höchster Dramatik beeindruckend. Gespannt konnte man auf Ferdinand von Bothmer sein, der hier sein Hausdebüt gab.

Kleine Indisposition

Sein höhensicherer Tenor wirkt im Gegensatz zu Shicoff zwar etwas glatt und farblos, passte jedoch ebenso gut zur Rolle des Opportunisten Leopold wie die geschmeidig-schlanken Koloraturen von Jane Archibald zu jener der Prinzessin Eudoxie. Sonor und trotz kleiner Indisposition mächtig gurgelnd dagegen Walter Fink als tragischer Kardinal Brogni.

Wäre das Ensemble vom Orchestergraben (Leitung: Michael Halász) nicht nur solide begleitet, sondern auch gefordert, ja stellenweise wünschte man sich: gejagt worden, es hätte ein wirklich großer Abend werden können. Musikalisch überzeugend und in der Darstellung von uniformierter Bigotterie und blankem Antisemitismus von erschreckender Härte dagegen der Wiener Staatsopernchor. (spou/DER STANDARD/Printausgabe, 09.09.2008)