Das Wiener Donauinselfest spielt laut Aussage der Veranstalter 40 Millionen Euro ein. Die Anti-Hundstrümmerl-Kampagne des Bürgermeisters war sicher auch nicht ganz gratis. Und was die Wahlplakate kosten, die "Deutschkurs" und "Heimatflug" plärren ... - egal. Nicht egal ist, dass jetzt die einzige Person, die sich für jene, die ohnedies schon nix haben, engagiert, "in Konkurs geschickt" werden soll.

Warum der Verein Ute Bock in finanzielle Schwierigkeiten geraten ist, mag verschiedene, in bilanztechnischen Termini formulierbare Teilursachen haben. Der Hauptgrund aber ist: Frau Bock und ihre Mitarbeiter/innen engagieren sich für Menschen, die in jeder Hinsicht mittellos sind. Sie haben weder die finanzielle noch rechtliche Chance, um einen menschenwürdigen Alltag in Österreich zu leben, geschweige denn eine längerfristige Perspektive zu entwickeln. Wer zu Ute Bock kommt, sucht nicht eine Wohnung, die endlich einen südseitigen Balkon hat, sondern ein Dach überm Kopf und eine Matratze am Boden. Die Menschen, die in den Quartieren des Vereins Ute Bock leben, würden gerne mehr zur Finanzierung ihrer Unterkünfte beitragen - allein, sie dürfen es nicht. Keine Arbeitsgenehmigung, kein Job, kein Geld, keine Wohnung, keine Hoffnung. Außer Frau Bock.

Der Verein Ute Bock hat nicht schlecht gewirtschaftet, er hat getan, was er konnte - ohne je eine Chance gehabt zu haben, in einer profitfixierten Bewertungsperspektive. Das ganze Team hat mit unglaublichem Einsatz Schadensbegrenzung in einem System betrieben, das für Menschen ohne Geld und Pass allenfalls eine Zeile in einer Statistik über hat. Aber keinen Platz zum Leben. Der Verein Ute Bock hat keine Schulden, er stellt dem angeblich zehntreichsten Land der Welt nur einen Bruchteil der Spesen in Rechnung, die bei der Erwirtschaftung dieses Status angefallen sind.

Wo wären die Leute, denen Frau Bock geholfen hat, ohne sie? Letztlich lässt sich das ja sogar per "Umwegrentabliltät" argumentieren. Wie gut angelegt ist das Geld beim Verein, wenn dadurch hunderte Menschen nicht wohnunglos sind und Tausende im Verein die einzige Anlaufstelle gefunden haben, die für sie da war?

Hier geht es nicht um vermeintliche Misswirtschaft, sondern um etwas ganz anderes: Kaum jemand hat das offizielle Österreich so beschämt wie Ute Bock, weil es ihr - im Gegensatz zu den Behörden - gelungen ist, mit ihrem Charisma, ihrem direkten Wesen und ihrer unprätentiösen Art ein sympathisches Image für die Arbeit mit Asylwerbern zu schaffen. Was mit dem Verein Ute Bock jetzt passiert, ist die späte Rache des Systems, das sich von ihr vorführen lassen muss. Betonbürokratisch und buchhaltungskorrekt will es über sie drüberrollen, um danach vielleicht auch noch so zu tun, als hätte es sie nie gegeben.

Wien hat niemanden außer Frau Bock, wo die, die niemand mehr will, hingehen können. Noch. Das Donauinselfest hat ein Budget von 5,5 Millionen Euro. - Wer rechnen kann, der rechne ... (Markus Wailand/DER STANDARD, Printausgabe, 9. September 2008)