Das gab es in Deutschland zuletzt vor 40 Jahren. - Am Kabinettstisch im Kanzleramt treffen sich allwöchentlich zwei, die nach der nächsten Wahl das Gleiche wollen: den Schlüssel zum Kanzleramt. Vor einigen Jahrzehnten ritterten Kanzler Kurt-Georg Kiesinger (CDU) und Vizekanzler Willy Brandt (SPD) um die Macht. Jetzt weiß Angela Merkel bei jedem Treffen mit ihrem Vize Frank-Walter Steinmeier (SPD): Der will meinen Job.

Angesichts dieser pikanten Konstellation glaubt den beiden kein Mensch, dass sie so artig sein werden, mit dem Wahlkampf noch bis 2009 zu warten. Ab sofort gilt in Deutschland: It's Showtime! Keine Seite wird eine Gelegenheit verstreichen lassen, sich auf Kosten der anderen zu profilieren - auch wenn man sich dann am Kabinettstisch wieder freundlich zulächelt, wenn Kameras dabei sind.

Aber was für ein Wahlkampf wird das überhaupt sein, fragt man sich bange mit Blick auf die Hauptdarsteller. Beide gelten als Meister des Ungefähren, moderieren lieber, als dass sie klar Stellung beziehen. Steinmeier ist der geborene Chefdiplomat, witzig und mitreißend eher im kleinen Kreis. Bei Merkel ist es nicht viel anders. Bevor sie klare Anweisungen gibt, vergehen oft Wochen, nicht selten Monate. Immerhin hat sie noch ihren Kanzlerinnenbonus. Aber der ernährt die Union auch nicht den ganzen Wahlkampf lang.

Doch wenn SPD und Union nach der Wahl nicht wieder eine große Koalition bilden wollen, dann werden sie ihre Ziele deutlich artikulieren müssen. Dazu gehört auch, Wahrheiten auszusprechen, die möglicherweise unbequem sind, weil sie den Bürgern weitere Opfer abverlangen. Dieser Mut muss noch trainiert werden. (DER STANDARD, Printausgabe, 9.9.2008)