In früheren Wahlkämpfen gab es sogenannte "Fairnessabkommen", um Schlammschlachten zu verhindern. Ergebnis: Die Parteien lieferten sich Schlammschlachten um die Frage, wer gegen das Abkommen verstoßen hatte.

Als ähnlich wirkungsvoll wird sich der von der ÖVP präsentierte Bürgervertrag entpuppen. Darin finden sich zwar auch löbliche Vorsätze wie mehr öffentliche Ausschüsse. Aber der Kernvorschlag, politische Versprechen von einem "Weisenrat" auf ihre Umsetzung überprüfen zu lassen, ist ein verzweifelter PR-Versuch, um davon abzulenken, dass die ÖVP dem Faymann'schen Populismus momentan recht hilflos gegenübersteht.

Natürlich verheißen Politiker gern das Blaue vom Himmel, gerade im Wahlkampf. Aber oft greift der Versprochen-gebrochen-Vorwurf - da hat "Umfaller"-Kanzler Alfred Gusenbauer nicht unrecht - zu kurz. Weil eine Partei in einer Koalition nicht jede Idee eins zu eins durchbringen kann. Und weil Regierungen mitunter auch Pläne über den Haufen werfen müssen - etwa wenn sich die wirtschaftliche Lage ändert. Sollen weitsichtige Politiker dann bestraft werden?

Ob eine Partei reüssiert oder versagt hat, bleibt eine Frage der politischen Beurteilung, die sich durch Fakten nicht gänzlich objektivieren lässt. Der unabhängige Experte, der einen allgemeingültigen Schiedsspruch fällt, ist Illusion. Zumal auch Weise keine ideologischen Nullgruppler sind.

Demokratie lebt vom ungebremsten Abtausch der Argumente - so dumm die manchmal klingen. Und eine Jury, die im Gegensatz zum schwarzen Kontrollrat Sanktionen verhängen kann, gibt es längst: die Wähler. (Gerald John/DER STANDARD-Printausgabe, 9. September 2008)