Zum x-ten Mal is der glu jetzt am Pannonia Ring. Zum x-ten mal bei der Moto-Academy. Diesmal jedoch bei Damian Cudlin! Ob's was gebracht hat? - Lesen Sie selbst...

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Ehrlich gestanden ist es mir im Moment ziemlich wurscht, dass die im Privatbesitz befindliche Naked klingelt wie ein ganzes Rudel Christkindln bei der Bescherung. Meine flottere Hälfte hat die Kawa gestern so über den Pannonia-Ring gehetzt, dass man jedes Ventil einzeln läuten hört. Zweistimmig. Oder doch ein Motorschaden? Mich berührt das heute aber nicht weiter, weil ich jetzt eh auf einer Yamaha R6 sitze.

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Der supersportliche Vierzylinder der R6 hat mir schon so manche Freudenträne in die Augen gezaubert. Mit der R6 komm ich am Ring so gut z’samm’ wie sonst nur Siegfried mit Roy. Ich geb zu, auch die Triumph Daytona war ein Quell der Endorphine, aber wenn mir der hochdrehende 600er der Yamaha eine Gänsehaut beschert und mir die Leistung im Drehzahlgipfel nicht nur die Leichtigkeit des Seins sondern auch die eines Vorderrades erklärt, dann kann mir meine Schönste sagen, dass sie die Familienreiben gegen ein paar Stöckelschuh eingetauscht hat und ich quittiere das nicht einmal mit einem Schulterheben. Genau genommen höre ich es nicht einmal, so hingerissen lausche ich dem Sound des Motors der R6.

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Moto-Academy am Pannonia-Ring. Ja, schon wieder. Es geht zur Gruppeneinteilung und gleich bei selbiger trifft mich zum ersten Mal am heutigen Tag fast der Schlag. Ich werde einen ganzen Tag mit Damian Cudlin trainieren dürfen! Der hat offensichtlich gehört, dass ich ihn das vorige Mal fürchterlich vermisst hab. Der Australier kommt, wann immer es ihm sein Engagement beim Langstrecken-WM-Team Yamaha Phase One und in der IDM erlauben, bei der Moto-Academy und den Yamaha R-Days vorbei, um seine Racingerfahrung weiterzugeben. Und das mir!

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Damian „Damo“ Cudlin fährt in der IDM selbst eine R6. Ein Blick von ihm genügt: „Alles Serie, hm?“ Ich bejahe und Damo verspricht mir, viel Spaß zu haben. (Klar wird er viel Spaß haben, wenn er dich fahren sieht… mfgux ;-) Spaß verstärkend wirkt sich bei meiner serienmäßigen R6 aus, dass auf der Start-Ziel-Geraden bei 14.500 Umdrehungen statt 129 PS ganze 135 PS anliegen, weil der Fahrtwind in der Luftbox bei der Geschwindigkeit zusätzliche sechs PS bringt. Das bei einem Drehmoment von fast 70 Nm. Ab 10.000 Touren bricht auf der R6 das Inferno aus. Darunter, ja, darunter tut sich nicht viel. Bei 8.000 Umdrehungen gewinnst auf der Sechser keine Rennen. Das merke ich immer, bevor es über die Doppelrechtskurve auf die Start-Ziel-Gerade geht. In der „Double-Apex-Turn”, wie Damo die beiden Kurven nennt, die man in einem Zug durchfährt, komm ich nie richtig auf Touren.

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>>>Versuch's einfach mal glu...

„Schalt halt runter“, erklärt Damo mir wie selbstverständlich, „wenn du merkst, dass du einen Gang zu hoch bist.“ Ich versuche noch auch patschert zu intervenieren, dass das Runterschalten, Ausdrehen und Hochschalten länger dauert als einfach am Gas zu bleiben. Damo zwinkert mir zu: „Just try it!“

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Und klar hat Damo Recht, merke ich, als ich das nächste Mal in der Kurve natürlich wieder vor demselben Problem stehe, einen Gang zu hoch unterwegs zu sein. Beim Anbremsen hab ich nur einen statt zwei Gänge heruntergeschaltet. Die R6 rennt wie auf Schienen durch die Kurve, doch am Kurvenausgang merke ich wie Damo davonzieht. Ich hackel runter, geb Vollgas, die R6 schreit auf, schießt wie von der Tarantel gestochen los und schließt ganz easy wieder auf. Macht in dieser Kurve sicher eine Sekunde. Zwei Sekunden wären es, schaffte ich die richtige Gangwahl schon am Kurveneingang. Aber ich komm ja dort wieder mal vorbei.

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Jetzt geht’s aber einmal Richtung Box. Selbst in der Zeit, wo ich nicht auf die Strecke kann, sitze ich in der Boxenstraße auf der R6. Ich will gar nimmer runter. Sie ist wohl heuer die ringfertigste Serien-600er. Da passt ab Werk das Fahrwerk, da stimmen die Leistungsdaten. Aufsitzen und loslegen. Das geht aber nur, weil Yamaha so viel R1-Technologie in die Sechser gebaut hat. So kommt bei der Kleinen nun die elektronische Drosselklappensteuerung (YCC-T) zum Einsatz. Zur Drehmoment- oder Leistungssteigerung ändert sich computergesteuert die Länge des Ansaugrohres (YCC-I), da ein langer Ansaugweg ein besseres Drehmoment bringt, ein kürzerer aber mehr Leistung. Zusätzliches Drehmoment generiert die R6 außerdem über das bei Yamaha schon bewährte EXUP-System.

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So bleibt als schwächstes Glied auf der Test-R6 am Ring der Straßenreifen. Dass ich doch Slicks aufziehen hätte sollen, wird mir bei einem gewaltigen Rutscher am Hinterrad in den Kurven acht und neun nicht zum ersten Mal, aber am deutlichsten bewusst. Ich hab in Schräglage das Gas einfach zu weit aufgerissen, die Leistung der R6 überfordert den Reifen, der kontrolliert seinen Dienst quittiert. Mit weit aufgerissenen Augen und leicht panischem Japsen kann ich den Straßenreifen dann aber doch noch dazu überreden, es mit mir für ein paar weitere Runden zu versuchen. Ein Sturz hätte mir ja nichts gebracht, ich hätte mich nicht auf die Funken konzentrieren können, die das neue gewichtsoptimierte Magnesiumheck am Weg ins Kiesbett erzeugt hätte. Auch wenn das kreischende Abfliegen der R6 sicher eine geeignete zweite Stimme zum Klingeln der Familienreiben gewesen wäre. Klingeling Bim Bäng Klesch.

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(Text: Guido Gluschitsch; Fotos: Wolf-Dieter Grabner, PanPhoto – Jörg Wanka www.pannonia-ring.com, 09.09.08)

Guido Gluschitsch ist Chefredakteur bei www.motorradnet.at.