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Jubilar, Günter Brus.

Foto: APA/PESSENLEHNER

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Ausstellungsansicht "Mitternachtsröte" (MAK Wien).

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Wien - "Ich war nie ein Jubiläumstyp", sagt Günter Brus, "Aber ich sehe ein, dass meine Mitmenschen mit Jubiläen mehr anfangen können als ich." Am 27. September begeht der österreichische Künstler, der als Mitbegründer des "Wiener Aktionismus" Anfang der 1960er Jahre auch an die eigene Schmerzgrenze ging und heute nicht nur für seinen Beitrag zur Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts, sondern für seine "Bild-Dichtungen" international gewürdigt wird, seinen 70. Geburtstag.

Mitternachtsröte

Aus diesem Anlass gibt es jede Menge Aktivitäten. Im Wiener MAK wird am Dienstag Abend die Ausstellung "Mitternachtsröte" eröffnet, die einen beeindruckenden Einblick in sein zeichnerisches Werk bietet. Am Freitag (12.9.) folgt im Groeningemuseum in Brügge eine Ausstellung von Brus' aktionistischen Arbeiten aus der Sammlung Hummel, ehe am 17. Oktober in der Neuen Galerie Graz die - von einem im Ritter Verlag erscheinenden Buch begleitete - Ausstellung "Brus's und Blake's Job" eröffnet. Anderntags folgen dort Symposium und Fest. Längst wird der ehemalige Staatsfeind, der nach der "Kunst und Revolution"-Aktion 1968 ins Ausland flüchten musste, auch hierzulande geachtet, wurde mit dem Österreichischen Staatspreis (1996) ebenso gewürdigt wie mit einer Albertina-Ausstellung (2003/4) geadelt. 2012 erhält Brus als nächster heimischer Künstler nach Nitsch, Frohner und Rainer dann ein eigenes Museum - das "Bruseum im Joanneum". Das Brus-Archiv in seinem Domizil südlich von Graz könnte noch zahlreiche weitere Ausstellungsaktivitäten bestreiten - es umfasst tausende Blätter.

Performances

Günter Brus wurde am 27. September 1938 in Ardning in der Obersteiermark geboren. Zwischen 1953 und 1958 besuchte er die Kunstgewerbeschule in Graz und die Hochschule für angewandte Kunst in Wien, wobei er letztere vorzeitig abbrach. Nach einer informellen Werkphase schockte er gemeinsam mit Otto Mühl, Hermann Nitsch und Rudolf Schwarzkogler in den 1960er Jahren die Öffentlichkeit mit seiner Grenzen sprengenden Körperkunst, die auch mit der eigenen Physis schonungslos umging. "Brus hat Generationen von Performance-Künstlern bis heute beeinflusst", meinte der Direktor eines Kunstmuseums in Florida, als im Frühjahr 2002 Brus' erste Einzelausstellung in einem US-Museum eröffnet wurde.

Uni-Ferkelei

Nach der als "Uni-Ferkelei" gebrandmarkten Aktion "Kunst und Revolution" im Audimax der Wiener Universität wurde Brus wegen "Verletzung der Sittlichkeit und Schamhaftigkeit" zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Der Künstler flüchtete 1969 nach Berlin, gründete dort mit Oswald Wiener und Gerhard Rühm die "Österreichische Exilregierung" und deren "Regierungs-Zeitschrift", "Die Schastrommel". Erst 1976 konnte seine Frau Anna Brus beim Bundespräsidenten bewirken, dass seine Haftstrafe in eine Geldstrafe umgewandelt wurde. 1979 kehrte er nach Österreich zurück und ließ sich in Graz nieder.

Bühnenbilder

Schon 1970 beendete er seinen Aktionismus mit der "Zerreißprobe" in München. Die Mappe "Irrwisch" markiert den Übergang. Seit 1971 widmet er sich hauptsächlich der Zeichnung und vor allem seinen bereits an die 800 Zyklen umfassenden "Bild-Dichtungen". Brus war auf den wichtigsten internationalen Kunst-Ausstellungen wie der documenta (1982 und 1992) oder der Biennale Venedig (1980) vertreten. Als Bühnenbildner stattete er u.a. die legendäre Gerhard Roth-Uraufführung "Erinnerungen an die Menschheit" beim steirischen herbst 1985 aus - die erhaltenen Ausstattungsteile wurden im Rahmen von "Graz 2003" restauriert und ausgestellt.

Autor und Literat

Seine Werkliste als Autor umfasst u.a. den Roman "Die Geheimnisträger" (1982), die Kurzprosa-Sammlung "Amor und Amok" (1987) sowie seine "Schmähmoiren", "Die gute alte Zeit" (2002) und "Das gute alte Wien" (2007), einen fantastisch-albtraumhaften Rückblick auf seine Wiener Jahre, auf Hunger und Elend, auf Außenseitertum und Ablehnung. "Ich bin angetreten, erfolgreich zu werden", sagt Brus heute, "Schon als jugendlicher Mensch habe ich gewusst, dass das einmal so weit sein wird, sonst hätte ich das gar nicht durchgestanden." Aber gleichzeitig räumt er ein: "Es gab natürlich etliche Einbrüche und Selbstzweifel und dergleichen mehr. Aber ich habe das Glück, dass ich mit Anna eine enorm mitfühlende Frau habe, die seit 1962 mit mir lebt und die mich dann in diesen Perioden und Momenten sehr unterstützt hat. Da war es tatsächlich manchmal so, dass sie mehr an meinen Erfolg gelaubt hat als ich." (APA)