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Die Vorbereitungsarbeiten - wie hier am Detektor Atlas - sind längst beendet. Am Mittwoch beginnt die Testphase des Teilchenbeschleunigers. Protonen werden durch die beinahe 27 Kilometer lange Bahn geschickt.

Foto: APA/EPA/Martial Trezzini

Frage: Was ist der Large Hadron Collider (LHC)? Und was ist das Besondere daran?

Antwort: In ganz einfachen Worten: LHC ist eine riesige Maschine, die sogenannte Hadronen - eine bestimmte Art von subatomaren Teilchen - aufeinanderkrachen lässt. Das Einzigartige am LHC ist, dass er der mit Abstand größte und stärkste Teilchenbeschleuniger ist, der je gebaut wurde. Die Kollisionsenergie ist rund siebenmal so groß wie beim bislang größten Collider in den USA, dem Tevatron am Fermilab bei Chicago.

Frage: Was passiert heute am LHC?

Antwort: Heute ab 9.30 Uhr werden erstmals Teilchen auf Rundreise im LHC-Beschleuniger geschickt. In jedem Fall ist dabei mit dem größten Medienrummel zu rechnen, den die Naturwissenschaften jemals gesehen haben. Am Genfer Cern, der Europäische Organisation für Kernforschung, die den LHC beherbergt, werden mehrere hundert Journalisten erwartet, die indes noch nicht viel erleben werden: Heute beginnt nur der Testbetrieb.

Frage: Wann ist mit ersten Teilchenkollisionen zu rechnen?

Antwort: Zunächst einmal muss der Protonenstrahl stabilisiert werden, dessen Geschwindigkeit (und damit die Energie) Schritt für Schritt erhöht wird. Erste Kollisionen gegenläufig rotierender Protonen sind für November geplant. Und mit den ersten Ergebnissen ist erst in einigen Jahren zu rechnen.

Frage: Was passiert bei den geplanten Kollisionen?

Antwort: Dabei entsteht eine Art Feuerwerk von verschiedensten, noch kleineren Teilchen, die meist in unvorstellbar kurzer Zeit weiter zerfallen. Am LHC ist man vor allem hinter den besonders schweren Teilchen her.

Frage: Wie spürt man diesen subatomaren Teilchen nach?

Antwort: Dafür gibt es Detektoren, riesige Apparate, die wie Zwiebelschalen aufgebaut sind. Ihre Namen sind Atlas, CMS, LHCb und Alice, die wiederum mit den vier Teilexperimenten des LHC identisch sind. In Atlas und CMS (das eine ist das Konkurrenzexperiment zum anderen) wird vor allem nach dem Higgs-Teilchen gefahndet, einem hypothetisches Elementarteilchen, das im Standardmodell der Elementarteilchenphysik vorhergesagt wird.

Frage: Und was hat das alles mit dem Urknall zu tun?

Antwort: Dafür ist ein anderes Experiment - nämlich Alice - entworfen worden. Da werden keine Protonen, sondern Kerne von Bleiatomen aufeinanderkrachen. Bei der Kollision bildet sich, wie die Physiker hoffen, ein "Quark-Gluon-Plasma" - "Urmaterie" , wie sie wenige Mikrosekunden nach dem Urknall vor mehr als 13 Milliarden Jahren existiert hat. LHCb wiederum erforscht Unterschiede zwischen Materie und Antimaterie.

Frage: Was befürchten eigentlich jene Leute, die vor einem drohenden Weltuntergang durch den LHC warnen?

Antwort: Die Unglückspropheten, zu denen an vorderster Front der deutsche Biochemiker und Chaostheoretiker Otto Rössler zählt, fürchten vor allem die kleinen schwarzen Löcher, die bei den Kollisionen entstehen könnten. Nach Meinung der Apokalyptiker könnten sie die Erde von innen auffressen und schließlich das ganze Weltall vernichten. Wann der Weltuntergang stattfindet, will Rössler aber nicht genau angeben: "Ich gehe von einem Zeitraum von vier bis 50 Jahren aus."

Frage: Wie ernst sind diese Bedenken zu nehmen?

Antwort: Weder Rössler noch alle anderen LHC-Apokalyptiker sind vom Fach. Teilchenphysiker haben seit Beginn der LHC-Planung eine Vielzahl an Simulationen durchgerechnet und reagieren auf alle Einwände mit via Internet zugänglichen Communiqués und Papers. Erst vor wenigen Tagen erschien im Fachblatt Journal of Physics G: Nuclear and Particle Physics (Nr. 15) eine neue Sicherheitsstudie, in der die Fachleute zum Schluss kommen, dass vom LHC keine Gefahr ausgeht.

Frage: Womit begründen sie die Ungefährlichkeit der LHC-Experimente?

Antwort: Ihr Hauptargument lautet wie folgt: Wenn kosmische Strahlen auf die Erde oder die Sonne treffen, wird zum Teil noch mehr Energie freigesetzt als im LHC. Alle exotischen Teilchen, die im LHC entstehen könnten, müssten daher auch haufenweise in der Erdatmosphäre oder in anderen Himmelskörpern auftreten. So viele Kollisionen, wie sie während der Lebenszeit des LHCs geplant sind, haben in der Erdgeschichte schon hunderttausendmal stattgefunden.

Frage: Ist Österreich eigentlich an den Experimenten des LHC beteiligt?

Antwort: Ja. Grundsätzlich steuert Österreich etwas mehr als zwei Prozent des Cern-Budgets bei. Und rund 60 Österreicher sind zurzeit als Forscher und Techniker an der Großforschungseinrichtung angestellt. Auch bei den geplanten LHC-Experimenten machen österreichische Forschungseinrichtungen mit: das Institut für Hochenergiephysik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften beim CMS-Detektor, das Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck und die FH Wiener Neustadt beim Atlas-Detektor.

Frage: Was kostet das Ganze eigentlich? Und ist es den Aufwand wert?

Antwort: Der LHC kostet drei Milliarden Euro. Ob das die Sache wert ist, darüber lässt sich streiten. Für die Wissenschaft jedenfalls eröffnet der LHC ein neues Zeitalter und wird einige der spannendsten Fragen der Physik klären. Darüber hinaus produziert das Cern immer wieder technologische Spin-offs, die es sonst nicht gäbe. So hat Tim Berners-Lee ebenda das Internet erfunden. Dass es aber auch finanzielle Grenzen gibt, zeigt das Schicksal des Superconducting Super Collider (SSC). Der SSC hätte mit 87 km Umfang noch um einige Dimensionen übertroffen. Doch da seine Kosten letztlich auf zwölf Milliarden US-Dollar geschätzt wurden, stoppe der US-Kongress 1993 die bereits begonnenen Bauarbeiten. (Klaus Taschwer und Peter Illetschko/DER STANDARD, Printausgabe, 10.9.2008)