Das war eine Vorgabe - mit Peter Handkes Vor-68-Text "Pubikumsbeschimpfung" zu spielen. Michael Fleischhackers Buch beginnt auch mit einer Exegese des Handke-Aufregers, um über zwei weitere seiner Säulenheiligen, Robert Menasse und Rudolf Burger, zum eigentlichen Inhalt des Buches zu finden: einem Plädoyer für die Einführung des Mehrheitswahlrechts.

Was er damit wirklich meint, verschweigt er bis zum Schluss. Das britische? Das französische? Oder das steirische des Politologen Klaus Poier, bei dem der Chefredakteur der Styria-Zeitung Die Presse jedoch ebenfalls Schwächen entdeckt hat.

Wir erfahren nicht nur, dass eine Wahlrechtsänderung schnurstracks in die schon seit mindestens 15 Jahren prognostizierte "Dritte Republik" führen würde, sondern dass ein Mehrheitswahlrecht zu einer Reinigung in der politischen Klasse führen würde. Man könne sich derzeit nur nicht vorstellen, "dass es noch so etwas gibt wie freie Bürger (...) die bereit sind (...) einen Teil ihrer Arbeitszeit der Gemeinschaft zu widmen." So als hätten beispielsweise in Großbritannien die Parteien aufgehört, Kandidaten zu nominieren und zu finanzieren.

Der zitierfreudige Fleischhacker ist zweifellos der Philosoph unter den Chefredakteuren. Immerhin. Denn manchen seiner Kollegen fehlt sogar jenes Grundwissen, das ihr Gewissen ein wenig formen könnte.

Der Presse-Chef ist ein Sprachspieler und ein Bildermaler, aus dem vielleicht einmal ein bürgerlicher Günter Traxler wird. Wenn er zum Beispiel über die großkoalitionär-sozialpartnerschaftlichen Zustände schreibt, es bleibe "uns Kriechtieren nur die Hoffnung auf den Meteor, der ins System einschlägt und die Saurier verschwinden lässt". Heide Schmidt bezeichnet er als "Ikone des linksliberalen Moralismus", Werner Faymann als "Sozialpartner-Model für das 21. Jahrhundert". Bei Jörg Haider entdeckt er "kalkulierten Unsinn".

Im Kern verharrt dieses Buch jedoch bei Analysen, die man schon kennt. Auch wenn man nicht alles versteht: Lustig ist es. Und trotz Themenverfehlung interessant zu lesen. (Gerfried Sperl/DER STANDARD-Printausgabe, 10. September 2008)