Wien - Jener Kärntner, der 21 Monate in Haft verbrachte, ehe er eine Wiederaufnahme seines Verfahrens erreichte und in diesem freigesprochen wurde, darf mit einer Haftentschädigung rechnen.

Vor 2005 gab es Haftentschädigung nur bei "glatten" Freisprüchen. Zuvor zahlte die Republik bei Freisprüchen im Zweifel gar nichts. In Geschworenenverfahren war sogar eine einstimmige Entscheidung der acht Laienrichter erforderlich.

Die Gesetzesänderung erfolgte durch die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EMGR) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Die europäischen Instanzen erkannten in der bisherigen Praxis eine nicht menschenrechtskonforme Ungleichbehandlung und eine Verletzung der Unschuldsvermutung.

Seit 2005 sind die Haftentschädigungsansprüche im Strafrechtlichen Entschädigungsgesetz (StEG) geregelt, das grundsätzlich einen Ersatz von Schäden vorsieht, den eine Person durch den ungerechtfertigten Entzug der Freiheit im Zuge einer Verhaftung oder gerichtlichen
Verurteilung erlitten hat.

Verjährung

Die zivilgerichtlich geltend zu machenden  Ansprüche verjähren nach drei Jahren. Anspruchsberechtigt ist, wer von einer inländischen Behörde oder einem ihrer Organe gesetzwidrig festgenommen wurde oder wer nach einer Festnahme freigesprochen oder sonst außer Verfolgung - etwa  durch Einstellung des Verfahrens - gesetzt wird.

Die Haftung des Bundes ist unter gewissen Umständen ausgeschlossen
oder eingeschränkt. Letztere ist etwa gegeben, wenn den Betroffenen
ein Mitverschulden an der Verhaftung trifft, weil er in seiner
Einvernahme wahrheitswidrig ausgesagt hat.

Richtsätze

Die Haftentschädigung soll laut Gesetz eine "angemessene
Entschädigung für die durch die Festnahme oder die Anhaltung
erlittene Beeinträchtigung" abgelten. Bei der Höhe der
Haftentschädigung orientieren sich die Gerichte an Richtsätzen, wie
sie die Judikatur für Schmerzensgeldansprüche vorsieht. Im Regelfall
werden 100 Euro pro im Gefängnis verbrachtem Tag zugesprochen. Bei
zusätzlich erlittener Unbill wie gesundheitlichen Beschwerden in
Folge der Inhaftierung, Einzelhaft oder versäumten Familienfesten
wird den Betroffenen eine "Nachbesserung" zugestanden.

Die bisher höchste Haftentschädigung hat ein Gmundner erhalten,
der im Mordfall Claudia Deubler acht Jahre hinter Gittern saß, ehe sich seine
Schuldlosigkeit herausstellte. Die Republik bezahlte dem Mann 950.000
Euro an Wiedergutmachung. (APA)