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Schaltete am Mittwoch seinen Anwalt ein: Max Friedrich.

Foto: AP/Hans Punz

Während die Kritik an ihm nicht verstummt, spricht er von "gezielten" Störversuchen

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Wien - Die Affäre um den Wiener Kinder- und Jugendpsychiater Max Friedrich spitzt sich juristisch zu. Am Mittwoch schaltete der Experte, dem Fehlgutachten in Missbrauchsfällen vorgeworfen werden und gegen den deshalb staatsanwaltschaftlich ermittelt wird, seinen Anwalt ein.

Im Standard-Gespräch wurde Friedrich konkreter und verteidigte jene Expertise, die am Beginn der Kritik an ihm stand: Das Gutachten über die vierjährige Stieftochter jenes Kärntners, der wegen Missbrauchs an dem Mädchen 22 Monate in Haft saß, um dann freigesprochen zu werden, sei "in zwei verschiedenen Etappen" - und damit "durchaus gründlich" - erfolgt.

Von Richtern und anderen Justizmitarbeitern, die namentlich nicht genannt werden wollen, wird Friedrich Zeitmangel und Oberflächlichkeit bei der Gutachtenerstellung vorgeworfen:"Ich habe die Vierjährige einmal in meiner Wiener Ordination und ein zweites Mal per Videoübertragung aus einem Nebenraum, also kontradiktorisch, vor Gericht in Klagenfurt befragt" , widerspricht Friedrich in dem inkriminierten Fall. In Klagenfurt habe er dem Kind "alle Fragen gestellt, die das Gericht beantwortet haben wollte" .

Generell fertige er Expertisen an, "sobald ich genug weiß, um sie ethisch vertreten zu können" . Die von der öffentlichen Hand gewährte "Bezahlung pro Stück" liefert wohl aber kein Argument, um diesenZeitpunkt allzu lange hinauszuzögern: 46 Euro fließen für ein kleines Gutachten ohne, 160 Euro für ein großes Gutachten mit wissenschaftlicher Begründung. Dazu kommen noch Fahrtspesen und die Remuneration für Fehlzeiten.

Druck auf Experten stärker

Der inhaltliche Druck auf Gutachter in Gewalt- und Missbrauchsfällen nehme zu, meint Friedrich - und bestärkt damit die Aussagen der Wiener Opferanwältin Eva Plaz. Immer öfter kämen Beschuldigte mit "Prozessbegleitern" zu Gericht. Diese stellten den Experten "gezielt ganze Batterien von Fragen" , um bei der ersten Fehl- oder Nichtantwort die Kompetenz des Gutachters laut zu kritisieren.

Der Druck, so Friedrich, gehe von einer Gruppe von Anwälten, Politikern und NGOs aus. Diese wollten Gutachten mit Kindern, namentlich unter Fünfjährigen, prinzipiell infrage stellen. Zwar sei es "recht schwer, ein derart kleines Kind etwa zu Missbrauchserfahrungen zu befragen" . Doch ein einschlägiges Gutachten habe zuallererst die "Reife des Kindes" zu prüfen - und davon ausgehend könne man beurteilen, ob die Aussagen berücksichtigenswert sind.

Am Mittwoch stellte sich die Richtervereinigung in Person ihres Vizepräsidenten Manfred Herrnhofer hinter Friedrich. Aus Klagenfurt wurde bekannt, dass der im zweiten Verfahren freigesprochene Stiefvater 200.000 Euro Haftentschädigung einklagen will. (Irene Brickner, DER STANDARD - Printausgabe, 11. September 2008)