Nicht einmal mehr das aus Stein gemeißelte AK-Logo auf der Außenfassade der renovierten Zentrale ist rot. Das bleibt auch so.

Foto: Standard/Matthias Cremer

Nicht nur die Arbeitswelt ist im Wandel, sondern auch die klassische Politkarriere. Der Zug von Arbeiterkammer und ÖGB in ein Ministerkabinett und dann in die staatsnahe Wirtschaft ist für SPÖler abgefahren.

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Wien - Ob Josef Leitner zu beglückwünschen ist oder doch eher zu bedauern, ist nicht überliefert. Fakt ist, dass es der Arbeiterkämmerer aus Niederösterreich an die niederösterreichische SPÖ-Parteispitze geschafft hat. Das macht ihn fast zum Exoten, denn die als Kaderschmiede einst unverzichtbaren Arbeiterkammern (AK) haben bei den Sozialdemokraten in der jüngsten Vergangenheit gehörig an Bedeutung eingebüßt.

Das zeigte sich zuletzt an AK-Direktor Werner Muhm eindrücklich. Wohl sagte Noch-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer seinem wortgewaltigen Parteifreund den Vizepräsidenten im Generalrat der Oesterreichischen Nationalbank zu, zum Zug kam aber Ex-Banker Max Kothbauer (ehemals PSK, CA, Länderbank) - nach heftigen Interventionen aus der schwarzen Reichshälfte, wie in Wiener SPÖ-Kreisen geätzt wird.

Ähnlich erging es den Gewerkschaftern. Sie stellten in der scheidenden Regierung nicht einmal mehr den Sozialminister, was dem Verlust einer Erbpacht gleichkommt. Die Agenda Arbeitsmarkt war bereits mit der Wende im Jahr 2000 an die ÖVP verloren gegangen. So gesehen war Salzburgs Ex-AMS-Mann Erwin Buchinger wohl nicht ganz am richtigen Einsatzort.

Maria Kubitschek, AK-Bereichsleiterin Wirtschaft, ist im ÖBB-Holding Aufsichtsrat bestenfalls gelitten - weil sie den bedingungslosen Proporz-Gehorsam nicht erbrachte (zumindest nicht widerspruchslos). Wäre nicht der Wahlkampf dazwischengekommen (in dem die Mobilisierungskraft der AK-Fachleute nolens volens gebraucht wird), wäre der Schleudersitz längst aktiviert worden.

Dass die AK ihre beste Zeit als wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Think-Tank der Arbeiterbewegung und des Gewerkschaftsbunds bereits hinter sich hat, lässt sich auch an den Jahresringen ihrer einstigen Speerspitzen ablesen: AK-Volkswirt und Ex-Finanzminister Ferdinand Lacina (65) verdingt sich als Konsulent (mit Ministerpension), Herbert Kaufmann (59) hat es vom niederösterreichischen AK-Präsidenten über den Nationalrat zum Vorstandsdirektor des Flughafens gebracht, und für Wilhelmine Goldmann war in der ÖBB-Personenverkehr AG ausgerechnet unter einem roten Verkehrsminister Endstation.

Brigitte Ederer (52) wiederum, die sich in der AK erste Sporen verdiente, wird wohl regelmäßig als ministrabel genannt, ist mit der Restrukturierung bei Siemens Österreich und in den Ost-Gesellschaften aber voll ausgelastet. Dass die einstige Wiener Finanzstadträtin und EU-Staatssekretärin ausgerechnet unter dem Regime von Ex-Wohnbaustadtrat und Noch-Verkehrsminister Werner Faymann arbeiten könnte, wird nicht nur in der Partei bezweifelt.

So sind die Karrierechancen der aufgrund ihrer Expertise durch die Bank geschätzten AK-Fachleute überschaubar geworden. Allenfalls im roten Wiener Rathaus wird die AK als Sprungbrett genützt. Zuletzt schaffte es AK-Volkswirtin Agnes Streissler in die bei Finanzstadträtin Renate Brauner angesiedelte Innovationsagentur ZIT.

Wie durchlässig die Grenzen der Sozialpartner geworden sind, beweisen zwei Rochaden: AK-Budgetexperte Bruno Rossmann heuerte bei den Grünen an (wo er um ein Nationalratsmandat rennen muss) und der langjährige leitende ÖGB-Sekretär Richard Leutner bei den Bauern. Er kümmert sich nicht mehr um Arbeitszeiten, sondern im Vorstand der Agrarmarkt Austria (AMA) um die Marktordnung. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe,11.9.2008)