Heide Schmidt will sich von Grünen nicht reizen lassen. Van der Bellen Leute warnen vor "Liste eines Großindustriellen" .

Fotos: Schüller/Newald

So ähnlich die Klientel, so hart die Revierkämpfe: Einst erbten die Grünen massenhaft liberale Wähler, nun will das LIF diese wieder zurück. Doch Van der Bellen und Co wehren sich - mitunter mit harten Bandagen.

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Wien - Die Mail richtet sich augenscheinlich an grüne Wahlkämpfer: "Bevor eine zu locker-freundliche Einstellung gegenüber dem LIF aufkommt" , verbreitet der Autor ein paar Gemeinheiten über die Konkurrenzpartei - von ungehemmter Marktwirtschaft bis zum Putin-Freund Hans Peter Haselsteiner. Für "weniger zielführend" hält der Stichwortgeber hingegen Angriffe auf LIF-Chefin Heide Schmidt. Weil diese "für viele, die mit uns sympathisieren, fast auf einem Sockel über uns allen thront" .

Ein Argumentarium, um dem LIF am Zeug zu flicken? Von den Grünen will's keiner gewesen sein. Doch dass die Ökos gegen die neue alte Konkurrenz mitunter auch eine härter Gangart an den Tag legen, ist offensichtlich. Ziel der Attacken ist vor allem LIF-Financier Haselsteiner, was bei linken Wählern ziehen soll. "Das ist nicht das alte LIF der Heide Schmidt" , sagt der Abgeordnete Peter Pilz: "Das ist die Liste eines Großindustriellen."

"Keine anderen Parteien kämpfen um eine so ähnliche Wählergruppe" , meint der Meinungsforscher Christoph Hofinger vom Sora-Institut. Ihre Fans stellen seit je junge, gebildete Städter; Besserverdiener tendieren eher zum wirtschaftsliberalen LIF, sozial Schwächere zu den staatsgläubigeren Grünen. Doch selbst dieser Unterschied verschwimme, meint Hofinger, seit auch die Liberalen umverteilen wollen. Beide sind für die Grundsicherung und Gratiskindergärten, beide treten für die Homo-Ehe und Minderheitenrechte ein, beide wollen die Abschaffung der Wehrpflicht und weder FPÖ noch BZÖ in der Regierung. Was ihre Kandidaten aber nicht daran hindert, sich gegenseitig fehlendes soziales Engagement oder Versäumnisse bei der Volksgruppenpolitik vorzuwerfen. Grünen-Chefin Eva Glawischnig will nichts von der angeblichen Ähnlichkeit wissen: "Am LIF sind die Diskussionen der letzten Jahre praktisch spurlos vorbeigegangen. Die Energiekrise ist bei ihnen nur eine Fußnote."

Liberale fürchten das Fallbeil

So ähnlich die Klientel, so hart die Revierkämpfe. 1995 setzte das schicke LIF den kriselnden Grünen so sehr zu, dass diese fast aus dem Parlament flogen. Vier Jahre später die Revanche: Grün gewann - und schickte die Lieblingsfeinde ins politische Nirwana. Damals profitierten die Grünen vom unverbrauchten Alexander Van der Bellen und vom "Fallbeileffekt" : Weil Umfragen dem LIF den Rauswurf aus dem Nationalrat prophezeiten, wechselten viele zu den Grünen, um ihre Stimme nicht wegzuwerfen. "Das LIF wird es nicht schaffen" ist deshalb auch dieser Tage die häufigste Antwort, wenn man Grüne auf die Liberalen anspricht.

Das Liberale Forum hat intern die Order ausgegeben, sich von den grünen Sticheleien nicht reizen zu lassen. "Damit habe ich weder gerechnet, noch finde ich es sinnvoll, noch möchte ich dazu einen Beitrag leisten" , gibt sich Spitzenkandidatin Schmidt nobel und versichert, dass es ihr "eigentlich um eine Veränderung des politischen Stils" gehe. Heftig wird Schmidt aber, als die Rede auf ihren engsten Mitstreiter kommt: Dass die Grünen immer wieder Haselsteiners Rolle im LIF anprangern und der Partei damit "Käuflichkeit unterstellen" , nennt die Grande Dame der Liberalen "infam" und "nicht unser Niveau" . Parteichef Alexander Zach, selbst als ehemaliger Auftragnehmer Haselsteiners unter Beschuss, spricht mittlerweile sogar von einer "Schmutzkübelkampagne" der grünen Widersacher. Schließlich habe Ungarns Staatsanwaltschaft Untersuchungen in der Causa abgewiesen.

Meinungsforscher Hofinger hält die grüne Strategie für riskant. Negativcampaigning könne wirken - aber auch aufgeklärte Wähler abschrecken, wenn den Vorwürfen Substanz fehlt. Typisch ist dieser Stil im Wettbewerb zwischen Grünen und Liberalen nicht. Beide Parteien, so Hofinger, vereine eigentlich eine Schwäche. "Grüne und Liberale schaffen es nicht, Emotionen zu wecken" , sagt er: "Sie scheinen unerschütterlich zu glauben, dass irgendwann die Vernunft siegen wird. Gewählt wird aber oft aus dem Bauch heraus."(Gerald John, Peter Mayr, Nina Weißensteiner/DER STANDARD Printausgabe, 11. September 2008)