Rom - Die Methode hat bereits Tradition. Statt durch den Bau neuer Gefängnisse begegnet Italien der Überfüllung der Strafanstalten mit der Entlassung von Häftlingen. Jetzt ist es wieder so weit. Zwei Jahre nach dem umstrittenen Strafnachlass sind die Gefängnisse der Halbinsel mit 59.000 Häftlingen erneut hoffnungslos überbelegt. Justizminister Angelino Alfano will rund 7500 Häftlinge entlassen.

Einen unpopulären Fehler allerdings will die Regierung, die ihren Wahlsieg dem Versprechen von mehr Sicherheit verdankt, nicht mehr riskieren. Denn von den 27.500 im Juni 2006 entlassenen Häftlingen saßen 36 Prozent schon nach kurzer Zeit wieder hinter Gittern. Nun sollen 4100 Straftäter in den Hausarrest entlassen und dort mit elektronischen Armbändern kontrolliert werden. 3300 ausländische Kriminelle sollen die verbleibenden Strafen in ihren Heimatländern verbüßen.

"Schlecht kaschierte Amnestie"

"Eine schlecht kaschierte Amnestie" wettert Antonio Di Pietro, Chef der Partei Italien der Werte. Die Zeit drängt. Denn die 205 meist alten Gefängnisse des Landes verzeichnen täglich einen Neuzugang von 1200 Häftlingen. Innenminister Roberto Maroni zögert, der beim Fußvolk seiner Lega Nord unpopulären Maßnahme zuzustimmen. Er verweist auf die zahlreichen technische Gebrechen bei Versuchen, den Hausarrest mit elektronischen Armbändern zu überwachen. Ausländer will der Minister nur dann abschieben, wenn die Garantie besteht, dass sie in ihren Heimatländern erneut im Gefängnis landen.

Immigranten (vor allem Marokkaner, Albaner und Rumänen) stellen in Italiens Gefängnissen fast 40 Prozent aller Insassen, im Norden sind sie bereits in der Mehrheit. Fast ein Drittel sitzt wegen Drogendelikten in Untersuchungshaft. Justizminister Alfano will seinen Plan im Oktober durchziehen. Doch ein Ende des Teufelskreises scheint nicht in Sicht. Nach Hochrechnungen der Gefängnisverwaltung steigt die Zahl der Häftlinge im Jahr 2009 auf 67.000 - bei 43.262 verfügbaren Plätzen. Für neue Gefängnisse fehlt das Geld. (Gerhard Mumelter aus Rom, DER STANDARD - Printausgabe, 11. September 2008)