Johann Jonach

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STANDARD: Warum geht es auf dem russischen Kapitalmarkt derzeit so turbulent zu?

Jonach: Die Gründe liegen sicherlich in erster Linie im politischen Bereich. Die Unsicherheit der Investoren ist durch den Konflikt in Georgien groß. Aber auch die weltweite Finanzkrise wirkt sich negativ aus. Ich rechne aber damit, dass die Krise nur vorübergehend ist.

STANDARD:Eine Wiederholung der Währungskrise von 1998 ist also nicht möglich?

Jonach: Eine Krise wie damals sehe ich nicht. Russland befindet sich in einer ganz anderen Position als vor zehn Jahren, als das Land hohe Schulden angehäuft hatte. Heute ist Russland gemessen an den Gold- und Währungsreserven eines der reichsten Länder der Welt.

STANDARD: Spüren Sie bereits Auswirkungen der Krise?

Jonach: Wir spüren das bei unserem Geschäft nicht. Aber natürlich sind wir noch vorsichtiger und zurückhaltender geworden - vor allem bei längerfristigen Finanzierungen. Die Verfügbarkeit von längerfristigen Krediten am russischen Markt hat abgenommen und Finanzierungen sind teurer geworden. Bei Immobilienfinanzierungen mit einer Laufzeit von zehn Jahren liegen die Zinsen derzeit im Dollar-Bereich bei zehn Prozent, im Rubel-Bereich mehr als zwölf Prozent.

STANDARD: Wie wirkt sich das auf das Wachstum des Bankensektors aus?

Jonach: Es wird zwangsläufig zurückgehen. Das starke und überzogene Wachstum der letzten Jahre werden wir heuer nicht sehen. Es muss auch Konsolidierungsphasen geben. Auch die russische Wirtschaft wird einen leichten Dämpfer erleben. Wenn das Wachstum von acht Prozent auf voraussichtlich sieben Prozent sinkt, ist das jedoch nicht dramatisch.

STANDARD: Muss die Raiffeisenbank in Russland Ihre Ziele revidieren?

Jonach: Das, was wir vorgesehen haben, werden wir auch erreichen. Mehr kann ich dazu auf Grund der Konzernrichtlinien nicht sagen.

STANDARD: Welche Folge haben die Kapitalmarktturbulenzen für die russischen Unternehmen?

Jonach: Es ist nicht mehr so leicht möglich, Kredite aufzunehmen. Die Konkurrenz hat ihr Kreditvolumen verringert. Gerade internationale Banken haben genügend Probleme auf ihren Heimmärkten und deshalb die Finanzierungen in Russland zurückgefahren.

STANDARD: Sie werden die Raiffeisenbank Ende September verlassen. Warum?

Jonach: Das hat nichts mit der Finanzkrise zu tun, sondern mit meiner persönlichen Karriereplanung. Ich habe ein sehr interessantes Angebot der Alfa Bank, der fünft größten Bank Russlands, erhalten. Als CEO der Alfa Bankengruppe, die aus fünf Banken in Russland, der Ukraine, Kasachstan, Weißrussland und den Niederlanden besteht, werde ich eine ganz andere Tätigkeit als bisher ausüben. Wir wollen diese Banken unter einem Holding-Dach zusammenfassen und in den GUS-Länder expandieren. (Verena Diethelm, DER STANDARD, Print-Ausgabe,11.9.2008)