"Wir haben unsere Haltung zum amerikanischen Raketenschild nicht geändert" , sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow am Donnerstag in Warschau. "Mit dem Raketenabwehrschild in Polen rückt das amerikanische Militärsystem an unsere Grenze vor. Damit setzt es das bisherige militärische Gleichgewicht zwischen den USA und Russland außer Kraft. Das können wir nicht ignorieren." Polens Außenminister Radoslaw Sikorski hielt dagegen: "Wir werden vertrauensbildende Maßnahmen unternehmen. Sie sollen unsere Nachbarn davon überzeugen, dass der Raketenabwehrschild nicht gegen sie gerichtet ist. Unser Ziel ist größtmögliche Transparenz."
Der Besuch Lawrows war bereits vor einem guten halben Jahr abgesprochen worden. Damals hatte der frisch gewählte polnische Premier Donald Tusk die Blockadehaltung der konservativen Vorgängerregierung unter Jaroslaw Kaczynski gebrochen und war nach Moskau gefahren. Politiker wie Publizisten sprachen von einem "polnisch-russischen "Tauwetter" und einem "Durchbruch" für die EU.
Tatsächlich hob Moskau das Importembargo für polnisches Fleisch auf, woraufhin Warschau sein Veto gegen die Verhandlungen über ein neues EU-Russland-Partnerschaftsabkommen aufhob. Doch seit Wochen herrscht zwischen Polen und Russland wieder Eiszeit.
Russische Inspektionen
"Trotz der Spannungen zwischen unseren beiden Ländern wollen wir den Dialog fortführen" , versicherte Sikorski nach dem Treffen mit Lawrow. Der polnische Chefdiplomat hatte in der Vergangenheit wiederholt von einer Möglichkeit gesprochen, russische Inspektionen der US-Militäranlagen in Polen zuzulassen.
Auch Lawrow zeigte sich gesprächsbereit. Schon in einem langen Artikel für die Gazeta Wyborcza hatte er nicht nur den Standpunkt Moskaus in der Georgien-Krise erläutert, in der sich Polen eindeutig gegen Russland positioniert hat, sondern die Ängste Polens vor der Ostsee-Gaspipeline "Northstream" zu zerstreuen versucht. Polen sei für Russland ein zu wichtiges Transitland, so Lawrow. Im letzten Jahr seien über 21 Millionen Tonnen russisches Öl durch Polen in den Westen geflossen. Moskau habe nicht die Absicht, diesen Hahn zuzudrehen.
Im Fall des Raketenschildes sei Moskau zum Einlenken bereit, wenn Polen und die USA zweifelsfrei nachweisen könnten, dass das in Europa stationierte Abwehrsystem tatsächlich nicht das Verteidigungspotenzial Russlands außer Kraft setzen solle. (Gabriele Lesser aus Warschau/DER STANDARD, Printausgabe, 12.9.2008)