"Alle österreichischen Medien kampagnisieren, die 'Kronen Zeitung' sticht dabei nicht heraus", das ist laut Kommunikationswissenschafter Josef Seethaler eines der überraschendsten Ergebnisse des Forschungsprojekts "Kontinuität und Wandel in der österreichischen   Wahlkampfkommunikation". Am Mittwochabend hat das Team um Gabriele Melischek von der Kommission für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) erste Ergebnisse der noch laufenden, vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Studie in Wien vorgestellt.

"Die 'Krone' ist nicht anders als andere Medien", betonte Seethaler. Auch bei anderen Boulevardmedien wie "Heute" und "Österreich", dem ORF, den Privat-TV-Sendern,  den Qualitätsblättern  STANDARD und "Presse" sei der Anteil kampagnisierender Berichterstattung ähnlich hoch. Unter "Kampagnisierung" oder "Amerikanisierung" verstehen die Kommunikationsforscher allerdings nicht die einseitige Bewerbung eines Kandidaten, sondern alle Elemente abseits von Sachthemen wie persönliche Eigenschaften der Kandidaten und "Horse-race"-Berichterstattung, bei der über Sieger
und Verlierer der Wahl spekuliert wird.

Unscharfe Grenze zwischen Bericht und Kommentar beim Boulevard

In allen untersuchten Medien handeln laut Melischek nur 50 Prozent der Beiträge von Sachthemen, aber drei Viertel der Presseaussendungen
der fünf Parlamentsparteien. Der Boulevard würde sich allerdings dadurch von anderen Medien unterscheiden, dass bei ihnen die Grenze zwischen Bericht und Kommentar unschärfer verlaufe.

Überraschend war auch das Ergebnis, dass die Parteien es bisher nicht geschafft haben, mit einem bestimmten Thema assoziiert zu werden. Einzige Ausnahme: Die SPÖ mit dem Kampf gegen die Teuerung. Melischek: "Medien reagieren nicht wirklich auf die Versuche der Parteien, sich zum Themenführer zu machen. SPÖ-Chef Werner Faymann hat die stärkste Reaktion ausgelöst, weil er sich über die traditionellen Kommunikationskanäle der Politik hinweggesetzt und sein Fünf-Punkte-Programm im Mittagsjournal verkündet hat."

Verwundert waren die Forscher auch darüber, dass die Parteien nicht versuchen, ihre Zielgruppe gezielt über bestimmte Medien zu erreichen. So könnten sie sich etwa bei den Qualitätsmedien, bei denen über Bildungspolitik ohnehin berichtet werde, in diesen Fragen profilieren. Mit "Innerer Sicherheit" könnten Politiker unterdessen vor allem in den Boulevardmedien und im Privat-TV punkten.  Stattdessen versuchten alle Parteien alle Themen zu besetzen -  Ausnahme: EU-Kritik, die nur von der FPÖ komme. Seethalers Einschätzung: "Entweder die Parteien fokussieren nicht speziell auf ein Thema. Oder es gelingt ihnen nicht, ihre Botschaft bei den Medien durchzubringen."

"Heiße Phase" sechs Wochen vor der Wahl

Welchen Einfluss Kampagnisierung auf die Wahlentscheidung haben kann, wollen die Forscher bis 2010 erheben. Auch im Fall der "Krone", der von Medienbeobachtern immer wieder großer Einfluss attestiert wird, will Seethaler noch keine Einschätzung abgeben. "Das würde ich nicht wagen, weil auch schon ein Prozent der Stimmen wahlentscheidend sein kann." Dass Medien die Wahlentscheidung generell beeinflussen können, ist für Melischek indes unumstritten. Entscheidend sei die "heiße Phase", sechs Wochen vor der Wahl, wenn die bestimmenden Themen festgelegt werden - und zwar von Parteien ebenso wie von den Medien. "Das Kräfteverhältnis, wer die Themen bestimmt, ändert sich ständig", betont Melischek. Spannend sei auch die Zeit kurz vor der Wahl: Dann könnten Medien Druck machen, indem sie einen Kandidaten zum absoluten Gewinner erklären und Wähler auf den Siegerzug aufspringen wollen. (APA)