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Einblick in Österreichs Pavillon mit der Ausstellung Before Architecture. Vor der Architektur

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Venedig - Fünf aus Lindenholz gefräste Modelle ungewöhnlicher Bauten Josef Lackners empfangen die Besucher während der elften Internationalen Architektur-Biennale im Österreich-Pavillon in den Giardini in Venedig. "Out There: Architektur jenseits des Bauens", hat Biennale-Direktor Aaron Betsky heuer (14.9. bis 23.11.) zum Generalthema gemacht. Der Österreich-Pavillon greift nun jenen Moment "Vor der Architektur" auf, in dem nachgedacht wird: über neue Interpretationen vermeintlich bekannter Positionen, über Veränderungen in der städtischen Lebenskultur und ihre Auswirkungen auf die Architektur.

Zwei architektonische Positionen und ein architektonisches Problem - den Wohnbau - hat Kommissärin Bettina Götz herangezogen, um das überraschende oder umformende Moment in der Architektur zu zeigen. In Gegenposition zur Verherrlichung des Architektur-Genies hat Josef Lackner (1931-2000) für seine Architektur-Konzeption ein strenges Regelwerk entwickelt. Fast wie das Ergebnis einer mathematischen Formel entstehen so Bauten, die trotz ihres Alters von rund drei Jahrzehnten frisch und neu sind. Und auch "Architektur erklärbar, nachvollziehbar machen", wie Götz am Donnerstagvormittag sagte. Das Ergebnis ist keineswegs vorhersehbar oder eintönig - auch wenn es um vermeintlich wenig herausfordernde Bausituationen ging: Lackners Innsbrucker Ursulinen-Schule macht die oft gedrängten Schul-Räume offen und durchlässig, sein gedrungenes und geschwungenes Grottenbad Flora erinnert mit seinen Bullaugen an die Weiten des Meeres.

Hitchcock-Filme

Während Lackner "vor" die Architektur das Entwurfskonzept gestellt und sich so gegen die Konzepte der "Hochglanzarchitektur" gesperrt hat, sperren sich die 1986 gegründeten "PAUHOF architekten" Michael Hofstätter und Wolfgang Pauzenberger gegen vorschnelles Bauen, das ihren ethischen und moralischen Ansprüchen nicht entspricht. Die "PAUHOF architekten" "hinterfragen das Wie und das Was", so Götz. Sie hinterfragen die Aufträge von Bauherren inhaltlich und konzeptuell und verwehren sich so der Fremdbestimmtheit der Architektur, die in starkem Kontrast zur Selbstbestimmtheit der Kunst steht. Nur durch diese Verweigerung "entstehen neue Programme und aus diesen neue Architektur", sagt Götz: Konzepte für neue Stadtformen haben "Pauhof" ebenso erstellt wie sich mit der Aufgabe von Architektur in Hitchcock-Filmen beschäftigt.

Die konzeptuelle Arbeit, die für "Pauhof" zentral ist, wird im Pavillon in einer eigens erstellten Installation namens "Archetherid" dokumentiert. An zentraler Stelle dreht sich darin ein kleiner Österreich-Pavillon. Dessen Konzept, ursprünglich für eine Schau in Spanien entstanden, haben die beiden Architekten auf die räumlichen Gegebenheiten der Giardini umgeformt. Gesperrt haben die Architekten mit ihrer Rauminstallation die sonst allzu durchlässigen Achsen des Österreich-Pavillons, wie Götz erklärt. Beim Eintreten in den Pavillon steht man erstmal vor einer schwarzen Wand, der Rückseite jener Leinwand, auf der die Pauhof-Arbeit dokumentiert wird.

So muss der Besucher gleich beim Eingang seine Aufmerksamkeit teilen, sich entweder den hängenden Modellen Lackners oder den Sounds der Pauhof-Installation nähern. Mit der Auswahl der beiden Teams will Götz zeigen: Architektur ist weder "Dienstleister" noch "Hochglanz"-Lieferant. Es geht um "Inhalte und Konzepte", die stets neu überdacht werden müssen - "vor dem Bauen".

Wohnraum

Den beiden Architektur-Positionen gegenüber gestellt wird im Österreich-Pavillon eine theoretische Auseinandersetzung mit einem "Stiefkind" der Architektur, wie Kommissärin Götz schildert: Durch die Förderung gibt es in Österreich im Wohnbau zwar ein großes Bauvolumen. Gleichzeitig bemerke man bei den heimischen Architekten eine gewisse Distanz zu seinen Fragestellungen. Wie stark sich die dem Wohnbau zugrundeliegenden Konzepte in letzter Zeit verändert haben und was sich daraus für neue Bau-Ideen ableiten lassen, wird in Interviews mit sieben österreichischen Architekturteams erörtert, die auf Fernsehschirmen und mit Kopfhörern verfolgt werden können.

Schon vor dem Aufstehen hat man heutzutage das erste E-Mail geschrieben, heißt es in den Interviews, die der deutsche Architekturtheoretiker Werner Sewing mit den Architektenteams geführt hat, einmal. Zweifelsohne haben nicht nur die verschwimmenden Grenzen zwischen Arbeits- und Wohnraum die Anforderungen an Wohnungen von heute verändert. Heutige Ansprüche an Infrastruktur oder auch individuelle Gestaltung der Wohnfläche werden aber von der derzeitigen Wohnbauförderung nicht erfasst, so Götz.

Da beispielsweise keine Geschäftsräume mitgefördert werden, entstehen nach den "ganz eigenen Mechanismen" der Wohnbauförderung dann "Wohnbau-Monoflächen". Diese und andere Probleme will die Kommissärin mit dem Pavillon theoretisch beleuchten: Es würden in Zukunft "80 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben" - und sich damit ganz neue Aufgaben für den Wohnbau stellen, so Götz. Mit diesen Fragen setzt sich auch am 3. und 4. Oktober die internationale Konferenz "Residential Building As Motivation" im Österreich-Pavillon auseinander. Ebenso gibt es an der Universität von Venedig eine Schau zum "Wiener Wohnbau - Innovativ. Sozial. Ökologisch", die am morgigen Freitag eröffnet wird und bis 3.10. läuft.

Brain City Lab

Österreichisches gibt es aber auch abseits des Länder-Pavillons: Getreu der Biennale-Thematik jenseits des Bauens verortet der italienische Pavillon seine Ausstellung - mit einem österreichischen Beitrag von Coop Himmelb(l)au. Das "Brain City Lab" stellt, einer These des Neurowissenschafters Wolf Singer folgend, Verbindungen zwischen der Architektur des menschlichen Gehirns und komplexen städtischen Strukturen her. Hier wie da verändert Information die Struktur: In der Stadt werden neue Lebenskonzepte und -notwendigkeiten in Bauten gegossen, im Gehirn schafft neurale Aktivität neue Knotenpunkte, neue neuronale Verbindungen. Die Prinzipien, nach denen dies funktioniert, werden nun im "Brain City Lab" mit Computeranimationen visualisiert, die Rücksicht auf die Realität bereits bestehender Strukturen nehmen: Entlang physischer Objekte, die auf einer überdimensionalen Tischfläche liegen, staut, organisiert, verbindet sich ein durch Computeranimationen berechneter Informationsfluss, bildet neue Hierarchien und Stabilitäten.

Wirklich "da draußen", wie es die Festival-Thematik suggeriert, ist ein anderes österreichisches Projekt: Am Weg vom Markusplatz in die Giardini findet sich am Kai ein Bau, dessen Grundmaterial handelsübliche Paletten, wie man sie aus dem Supermarkt kennt, sind. Mit dem "Palettenhaus" haben Gregor Pils und Claus Schnetzer, Architekturstudenten der TU Wien, den EU-weiten Wettbewerb "GAU:DI" gewonnen: Mit dem modular aufgebauten Haus aus standardisierten Transport-Körpern wollen sie sowohl Notfalls-Wohnungen, temporäre und billige Bauten für Armenviertel als auch Niedrigenergie-Bauten realisieren. Als hinterleuchteter Kubus wird das Palettenhaus noch bis 21. September am Kai in Venedig zu sehen sein. (APA)