Wien - In der Causa Friedrich haben sich am Donnerstag die Wiener Kinderpsychiater und Kinderpsychologen an die Öffentlichkeit gewandt. Sie betonten in einer gemeinsamen Presseaussendung, in der derzeitigen Diskussion um die Gutachtertätigkeit von Max Friedrich komme der Opferschutz zu kurz. Darüber hinaus äußerten sie die Befürchtung, mit der "Kampagne" gegen Friedrich wolle man an den Gerichten "deutsche Verhältnisse" schaffen.

Friedrichs Leistungen für die Opfer

Die Vorwürfe gegen Max Friedrich bezeichneten Kollegen als "absurd", da Friedrich gemeinsam mit einigen Juristen 1992 die kontradiktorische Befragung in allen Gerichten Österreichs etabliert habe. Bis dahin wurden minderjährige Opfer jeden Lebensalters bei Gericht in Anwesenheit der Angeklagten und deren Verteidiger vernommen. In dieser Situation habe ein traumatisiertes Kind kaum über den erlebten Missbrauch berichten können. Gerade Friedrich habe entscheidend dazu beigetragen, dass Missbrauchsopfer nun nicht mehr im Verhandlungssaal aussagen müssen, sondern in einem Nebenraum in Anwesenheit einer Vertrauensperson vom Gutachter befragt werden.

Kaum Verurteilungen bei Kindermissbrauch

Im Unterschied zu Österreich, wo die Aussagefähigkeit und -tüchtigkeit geprüft wird, haben in Deutschland psychiatrische Sachverständige in Strafverfahren um Kindesmissbrauch die Glaubwürdigkeit der Opfer zu beurteilen. Im Sinne der Aussagepsychologie hat dabei die freie verbale Äußerung primär rechtliche Relevanz. Nach Ansicht der Wiener Kinderpsychiater und Kinderpsychologen hat das dazu geführt, dass es kaum mehr Verurteilungen bei Missbrauchsverhandlungen von unter Sechsjährigen gibt. Das sei nicht im Sinne des Opferschutzes.

Nur ein Prozent der Fälle enden in einer gerichtlichen Verhandlung

Die Wissenschafter verwiesen auf internationale Studien, wonach neun bis 18 Prozent der minderjährigen Mädchen und vier bis sieben Prozent der Buben sexuellen Missbrauch erfahren. Es sei "beschämend für Österreich, dass nur fünf Prozent dieser Gewaltdelikte zur Anzeige kommen und nur ein Prozent in einer gerichtlichen Verhandlung enden". Es stehe zu befürchten, dass mit der derzeitigen medialen Kampagne die Opfer noch schlechter gestellt werden und künftig noch weniger Fälle zur Anzeige gelangen.(APA)