"Besorgt um den Wissenschaftsstandort Österreich" zeigte sich Wissenschaftsminister Johannes Hahn angesichts der Pläne von SPÖ, Grünen und FPÖ, die Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen weitgehend abzuschaffen. Die drei Parteien würden sich damit nur wenige Monate nach dem einstimmigen Beschluss im Parlament, die Ausgaben für den tertiären Sektor bis 2020 von derzeit 1,2 auf 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu erhöhen, von diesem Ziel verabschieden. "De facto wollen sie damit den Universitäten Geld wegnehmen", sagte Hahn am Freitag.

Entfall "kostet halbe Milliarde"

Der Entfall der Studiengebühren würde alleine für eine Leistungsvereinbarungs-Periode (zwischen Unis und Bund werden für drei Jahre Leistungsvereinbarungen abgeschlossen, Anm.) eine halbe Milliarde Euro kosten, betonte Hahn. "Das fehlt, auch wenn es angeblich ausgeglichen wird, denn eigentlich war mein Ziel, dazuzugeben." Dies werde a al longue Auswirkungen auf die Qualität von Lehre und Forschung haben.

SP-Wissenschaftssprecher Josef Broukal hat am Donnerstag gegenüber der APA die Einigung zwischen SPÖ, FPÖ und Grünen bei Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen "auf Fachebene" bestätigt. Es gebe aber noch einen "Generalvorbehalt" von FP-Wissenschaftssprecher Martin Graf, weil die FPÖ díesen Bereich mit dem geplanten Gesamtpaket junktimiere. Trotz der wahrscheinlichen Abschaffung will Josef Broukal nicht mehr in der nächsten Legislaturperiode tätig sein. "Wenn meine Kollegen mich als fachkundigen Experten einberufen wollen, gerne", Wissenschaftssprecher möchte er jedoch nicht mehr sein. Wer seine Nachfolge in der nächsten Regierung antritt, wisse er nicht.

Viele Ausnahmen

Im Detail sollen die neuen Regelungen laut Broukal so aussehen: Die Studiengebühren werden zwar nicht grundsätzlich abgeschafft, es soll aber eine "breite Palette an Ausnahmen" geben. Als Grundregel soll laut Broukal gelten, dass die Mindeststudiendauer pro Abschnitt plus zwei Semester gebührenfrei sind. Nutzt man im ersten Abschnitt ein Toleranzsemester nicht aus, kann man es in den zweiten Abschnitt mitnehmen und hat dann drei Semester Überschreitungszeit.

Im Büro der steirischen SP-Bildungsrätin Bettina Vollath erfuhr man erst im Gespräch mit derStandard.at von dem gemeinsamen Antrag: "Wir begrüßen das aber auf alle Fälle", so ein Sprecher Vollaths, die sich in der Steiermark für das gebührenfreie FH-Studium und den kostenlosen Kindergarten eingesetzt hat.

"Beharren hat sich ausgezahlt"

Auch der Grüne Spitzenkandidat Alexander Van der Bellen begrüßt die Abschaffung: "Unser jahrelanges Beharren auf dieser
Forderung hat sich nun bezahlt gemacht. Eigentlich wäre die Abschaffung schon vor Monaten möglich gewesen, doch die SPÖ konnte sich nicht dazu durchringen." Er bezeichnet die Einigung als "grünen Erfolg".

Samir Al-Mobayyed (AktionsGemeinschaft), neuer Vorsitzender der Österreichischen Hochschülerschaft ist "ganz klar für die Abschaffung." An dem Antrag hat er allerdings zu bemängeln, "dass ausländische und FH-Studierende davon ausgenommen werden. So ist das eine Selektion!" Die Zugangsbeschränkungen für das Medizinstudium, die in dem Antrag als einzige beibehalten werden sollen, will er auf EU-Ebene diskutieren: "Die im Antrag vorgesehene Regelung ist nur ein Schnellschuss."

Der Verband Sozialistischer Studierenden (VSStÖ) freut sich zwar über die bedingte Abschaffung, kritisiert jedoch einige Punkte des Antrages. So sei die zeitliche Beschränkung problematisch, weil Studienverzögerungen oft nicht selbts verursacht seien.

 

Badelt gegen "Nacht- und Nebel-Aktion"

Der Chef der Universitätenkonferenz (uniko) und Rektor der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien, Christoph Badelt, appelliert im Zusammenhang mit der geplanten Abschaffung der Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen für ein Uni-Studium "an die Vernunft, mit solch elementaren Fragen des Ausbildungssystems nicht leichtfertig umzugehen". Das Hauptproblem sei jetzt, so diffizile Fragen wie Hochschul-Finanzierung und -Zugang in einer "Nacht- und Nebelaktion" zu behandeln, ohne dass es die Möglichkeit gebe, sich das sorgfältig anzuschauen und mit den Betroffenen zu besprechen, sagte Badelt.

Der uniko-Chef ist durchaus bereit, "über vieles nachzudenken". Wenn das der Start einer neuen bildungspolitischen Debatte sei, wäre das in Ordnung. "Aber man kann so etwas nicht binnen weniger Tage durch den Nationalrat peitschen, wenn die Folgen nicht klar sind. Was uns stört, ist der Showeffekt", sagt Badelt, "Wahlkampfmusik tritt hier an die Stelle seriöser Bildungspolitik."

Eine klare Absage kommt von BZÖ-Generalsekretär Martin Strutz "Ich halte viel von den Studiengebühren, weil sie ein Regulativ bei Langzeitstudenten sind, die anderen den Platz wegnehmen."(APA/red/lis/derStandard.at, 12. September 2008)