Schädelrekonstruktionen von zwei Crurotarsi-Arten. Vor mehr als 200 Millionen Jahren kämpften sie mit den Dinosauriern um die "Weltherrschaft" - und verloren wegen einer Klimaerwärmung.

Foto: Image courtesy of Stephen Brusatte, Columbia University

Washington - Gerne gehen wir Menschen davon aus, dass die Evolution zum "Besseren" fortschreitet - mit uns als der Krone der Schöpfung natürlich. Nach dieser Sicht der Dinge hätten sich zum Beispiel die Säugetiere auch deshalb gegen die Dinosaurier durchgesetzt, weil sie besser angepasst und "fortschrittlicher" waren - ebenso, wie die Dinosaurier sich erfolgreich gegenüber ihrer damaligen Konkurrenz durchgesetzt hätten.

Auf technologische Entwicklungen wie etwa die der Autos mag diese teleologische Sichtweise zwar zutreffen. Denn zweifellos ist ein Ford Mustang besser als ein Modell T, das übrigens dieser Tage hundert Jahre alt wird. In Sachen Evolution wird diese "Gerichtetheit zum Besseren" - und zumal: ein dafür verantwortliches "intelligentes Design" - aber von führenden Evolutionsbiologen vehement bestritten.

Zufälle der Entwicklung

Ganz neues Belegmaterial für die Ungerichtetheit und die Zufälle in der Entwicklung der Arten liefert nun eine Studie über den "opportunistischen" Erfolg der Dinosaurier.

Ein US-Paläontologenteam rund um Steve Brusatte, Dissertant an der Columbia University in New York und Mitarbeiter des American Museum of Natural History, zieht nämlich anhand von neuen Fossilien und mit der Hilfe von Mathematik in Zweifel, dass Tyrannosaurus Rex & Co sich deshalb durchsetzten, weil sie einfach die überlegenen Arten gewesen seien. In Wahrheit seien ihnen nämlich vor mehr als 200 Millionen Jahren die Crurotarsi, ihre krododilartigen "Cousins", in vielen Belangen ganz ähnlich gewesen.

Im späten Trias und im frühen Jura, also vor 230 bis 190 Millionen Jahren, kam es zur Artenexplosion bei den Dinosauriern: Die Körperformen nahmen ganz unterschiedliche und zum Teil gigantische Formen an. Damit wurden die Dinosaurier zumindest auf Land zu den herrschenden Wirbeltieren, und zwar gleich für die nächsten 135 Millionen Jahre.

Wie Steve Brusatte und seine Kollegen nun im US-Magazin Science (Bd. 321, S. 1485) behaupten, hätte das alles ohne Weiteres auch ganz anders kommen können.

Ebenbürtige Konkurrenten

Vor 230 bis 200 Millionen Jahren waren nämlich die Crurotarsi die schärfsten Konkurrenten der frühen Dinosaurier. Vertreter der beiden Gruppen dürften dieselben ökologischen Nischen besetzt und um dieselben Ressourcen gekämpft haben. Und: Sie haben sich in einem ganz ähnlichen Tempo ausdifferenziert - was auf Ebenbürtigkeit hindeutet. Auch die Crurotarsi entwickelten eine riesige Formenvielfalt: Es gab sie sowohl in riesigen vierbeinigen, aber auch schlanken zweibeinigen Raubtierversionen, sowohl als Alles-, Fischfresser und Pflanzenfresser.

Was den Ausschlag zugunsten der Dinosaurier gegeben hat, dürfte der Klimawandel gewesen sein: Während die Dinosaurier eine Phase der Erderwärmung vor ziemlich genau 200 Millionen Jahren fast unbeschadet überstanden, blieben bei den Crurotarsi nur die Krokodile übrig - die aber immerhin bis heute. (Klaus Taschwer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12. September 2008)