Washington - "Heute schauen wir uns zwölf bis 14 Objekte an, wir sollten uns ein wenig beeilen", begrüßt Tommy Burch die Gäste im Bus, der im Washingtoner Vorort Centreville zwangsversteigerte Häuser ansteuert. Es ist eine Reise in die Welt der zerstörten Träume vom Eigenheim: Millionen US-Hausbesitzer sind zahlungsunfähig geworden, Banken bieten die Schnäppchen an. Burch und seine Frau Sheri bieten jedes Wochenende Touren an, um Interessenten Objekte zu zeigen.
"Es ist schon hart, wenn man bedenkt, dass hier Leute lebten, die ihr Haus und alles andere verloren haben", sagt Burch. "Wir versuchen trotzdem, daraus eine angenehme Veranstaltung zu machen, die ja immerhin eine gute Gelegenheit für solche Leute ist, die sich noch vor drei Jahren kein Haus leisten konnten."
Allein im Verlauf der vergangenen zwölf Monate sei der Preis für viele Häuser auf der Tour um 40 Prozent gefallen. Burch schließt normalerweise pro Bustour ein bis zwei Kaufverträge ab.
"Einfach normal"
Zu den Ausflugsgästen zählt der Unternehmensberater Pankaj Giroti. "Natürlich ist es immer auch eine traurige Geschichte, wenn man ein zwangsversteigertes Haus sieht", sagt Giroti. "Aber wenn man es aus der Perspektive des Investors betrachtet, ist es einfach ein normales Geschäft."
Wo es eine Krise gibt, sind Krisengewinner nicht fern: Insofern eröffnet die Krise auf dem US-Immomarkt viele Optionen. 2007 gab es in den USA bereits rund 2,2 Millionen Zwangsversteigerungen. Im zweiten Quartal 2008 lag die Zahl noch einmal weit über dem Doppelten des Vorjahresquartals. "Ich hätte nie geahnt, dass ich in so guter Lage ein Haus zum halben Preis kaufen kann, was es vor drei Jahren gekostet hat", sagt Giroti.
Die Busgäste sind guter Laune, die Aussicht auf ein günstiges Geschäft hebt die Stimmung. "Das ist alles schön organisiert und es macht Spaß, hier im Bus herumzufahren und all die Immobilien anzuschauen", sagt Teilnehmerin Eva Chen. Ihr Mann Gary fügt hinzu: "Man spart eine Menge Zeit, weil man nicht all die Makler kontaktieren muss, um die Objekte anzusehen."
Die Burchs besichtigen jedes Mal 80 zwangsversteigerte Häuser, bevor man eine Tour für Busgäste zusammenstellt. Auf die Idee kamen die beiden, als sie die Vororte von Washington selbst auf der Suche nach einem günstigen Haus durchstreiften. "Viele dieser Häuser sind von außen nicht gekennzeichnet", sagt Burch. "Es ist manchmal schwierig, sie zu finden." (AFP, Nathalie Laville, DER STANDARD, Printausgabe, 12.9.2008)