Schmied oder Schmiedl. Wer sich diese Frage in der zeitgenössischen Popmusik ernsthaft stellt, macht sich das Leben (unnötig) schwer. Das Zeitalter der Gleichzeitigkeit, in dem alle Stile, alle Kreuzungen, Wiederholungen und Revivals parallel existieren und in dem sich kaum noch tatsächliche Spitzen registrieren lassen, bedingt nicht nur eine Gleichmacherei, auch die Schamlosigkeit der Aneignung gedeiht bestens. Wobei das nichts Neues ist: Erfolgsmodelle wurden (nicht nur) im Pop immer schon kopiert. Spätestens von Elvis an bis heute - womit wir beim Objekt der aktuellen Beweisführung dieser Behauptung angelangt wären, der britischen Band Friendly Fires und ihrem titellosen Debütalbum.
Friendly Fires spielen eine seit einigen Jahren wieder verstärkt angesagte, tanzbare Rockmusik, deren Grenzen heute natürlich fließend sind.
Dass sogar im Falle von Zweitverwertung noch erstaunliche Resultate erzielbar sind, hat etwa das New Yorker LCD Soundsystem mit Alben wie Sound Of Silver bewiesen, das seinen höheren Eklektizismus aus dem Postpunk speist. Einer Zeit Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre, die Simon Reynolds in seinem Buch Rip It Up And Start Again richtigerweise als eine innovativ-aufregende Ära beschreibt, die sich ernsthaft darum bemühte, dem Rock 'n' Roll neue Ästhetiken entgegenzusetzen, die ihre Wurzeln nicht zwingend im schwarzen Blues oder dessen Kindern hatte.
Diese Gegenstrategien unterlagen ihrerseits permanenten Wandlungen, und nach der ersten, notwendigen Radikalzäsur fanden sich sehr bald viele wieder bei der schwarzen Musik ein. Siehe etwa den Werdegang der New Yorker Talking Heads, die vom nervös zappeligen Skelett-Pop ihrer frühen Alben innerhalb weniger Jahre bei Al Greens Gospel Take Me To The River angelangt waren.
Friendly Fires verdanken beiden Einflüssen einiges, wie bereits das zweite Stück der aus dem angeblich wenig attraktiven Ort St. Albans stammenden Trios zeigt. Der Gesang von Ed Macfarlane zeigt sich darin einerseits sehr, sagen wir, inspiriert von David Byrne von den Talking Heads. Man höre etwa den Song Crosseyed And Painless vom Album Remain In Light nach.
Dazu offenbart sich ein definitiv schwarzer Einfluss, den die Band selbst auf ihre Vorliebe für Prince zurückführt. Dass das Ergebnis hingegen wie ein besserer Justin-Timberlake-Song klingt, an den James Murphy von erwähntem LCD Soundsystem Hand angelegt hat, muss man schon auch sagen. Macht aber nichts. Die Nummer fährt - und der Weg ist im Pop immer das Ziel, ankommen immer das Ende. Dass die blutjunge Band dabei schon auf eine Vergangenheit verweisen kann, in der sie ihre Interessen an US-amerikanischem Hardcore ebenso abgearbeitet hat wie an Chicago House oder experimenteller Elektronik, zeigt, wie alt diese jungen Hasen schon sind.
Und nachdem große Schritte im Gegenwarts-Pop kaum noch möglich scheinen, liegen Friendly Fires mit ihrem schlauen, zusammengestoppelten Pop gerade richtig. Ihr Debüt gerät zu einem lässig einfahrenden, dennoch nicht kantenlosen Pop-Album.
Ob dieses eher ein instinktsicheres Zufallsprodukt oder das Brainchild versierter Auskenner ist, darf den Hörern herzlich egal sein. Schmied und Schmiedl sind ja nicht zum ersten Mal auf derselben Party. (Karl Fluch / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.9.2008)