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Dem heute 66-jährigen Choreografen John Neumeier gereichte über Jahrzehnte hinweg das Ausdrucksmittel des Tanzes, sich der Welt mitzuteilen. Letztendlich steht das Wort im Mittelpunkt der Bild-Monografie In Bewegung, in der der in den USA geborene Tänzer seine künstlerische und persönliche Entwicklung in all ihren Facetten beschreibt. Interessanterweise gelangt er zur Schlussfolgerung, dass nonverbal nicht das gesamte Spektrum seiner Arbeit erfasst werden könne.

Vielmehr wurde ihm selbst in retrospektiver Betrachtung die Bedeutung der verbalen Erklärung zum Verständnis seines tänzerischen Œuvres bewusst. Gerade in der Rückschau auf seine persönliche wie auch künstlerische Entwicklung, seine Erarbeitung diverser klassischer und moderner Ballette, entdeckt Neumeier in den Variationen immer wiederkehrender Aspekte und Choreografien eine unterbewusst gesteuerte Thematik, die er als Lebensphilosophie mit theologischem Aspekt umschreibt. Traditionen und Werte hinterfragend, erklärt er seine Wertewelt, seine Philosophie.

Es erschließt sich ein Kaleidoskop, das den Leiter der Hamburger Compagnie de Ballett im - nicht immer nur positiven - Wechselspiel mit seinem fixen Ensemble und diversen Weltstars wie Margot Fonteyn, Rudolf Nurejew, Mikhail Baryschnikow et alii zeigt. Eindrucksvoll die Fotos passionierter Ikonen im Scheinwerferlicht der Bühne wie auch im Zwielicht der Probenzeit, im Zweifel, auf der Suche nach perfekter Komposition.

Mosaikartig entstehen durch die persönlichen Skizzen, intimen Tagebucheinträge, privaten Briefwechsel, gezeichneten Choreografieentwürfe in Korrelation von Wort und Bild vielschichtige Spiegelbilder seiner persönlichen Biografie, seiner Compagnie und zu-gleich ein famoses, teilsdüsteres, stets imposantes, introspektives Spiegelbildunserer sich verändernden, komplexen Gesellschaft. (Gregor Auenhammer, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 13./14.09.2008)