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Vizekanzler Molterer hält die Senkung der Mehrwertsteuer für politischen Humbug.

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Nizza - Vizekanzler Finanzminister Molterer warnte am Rande des EU-Finanzministertreffens in Nizza neuerlich vor der von der SPÖ vorgeschlagenen Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel: "Das halte ich für ökonomischen Humbug offen gesagt und für politisch verantwortungslos", sagte er am Samstag in Nizza. Wenn Österreich jetzt eine falsche Entwicklung einleite, "hätten wir alles verspielt, was wir in den vergangenen Jahren aufgebaut haben und auch die geplante Steuerreform sei nicht mehr möglich.

"Es ist offensichtlich Geld abgeschafft und es ist der wirtschaftliche Hausverstand abgeschafft", kritisierte Molterer. Die Diskussion am Freitag im österreichischen Parlament habe ihn "schockiert". Die Vorschläge, die dort während der Sondersitzung gemacht wurden, würden "Untergrenze 25 Mrd. Euro" kosten. Das sei unverantwortlich.

Die 1,3 Milliarden Euro, die die von der SPÖ vorgeschlagene Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, Restaurantessen und Medikamente koste, sei die Hälfte des Volumens der geplanten Mehrwertsteuerreform und schmälere die geplante Entlastung des Mittelstandes. Die Darstellung von SP-Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter, die Mehrwertsteuersenkung sie bereits ein Teil der Steuerreform, wies Molterer zurück. Das sei dem Mittelstand nicht zu erklären.

Er fordere wie ein Trainer im Basketball oder Handball "Time out": "Wir müssen jetzt innehalten bei dieser sich immer schneller drehenden Spirale der ökonomischen Unvernunft", so Molterer. Angesichts der absolut schwierigen wirtschaftlichen Entwicklung, die in dieser Dramatik in den letzten Monaten noch zugenommen habe, mahnte der Finanzminister neuerlich zu Budgetdisziplin und einer Fortsetzung der strukturellen Reformen. Österreich dürfen seinen Stabilitätskurs nicht verlassen, es wäre "eine dramatische Fehlentwicklung" wenn jetzt die Dämme brechen würden.

Schüssel empört

ÖVP-Klubobmann Wolfgang Schüssel hat sich am Tag nach der Sondersitzung des Nationalrates empört über den "politischen Bazar" der anderen Fraktionen gezeigt. Es habe sich fast abgespielt wie im Kasino, "jeder hat seine Jetons eingeworfen"; addiere man man die Kosten der einzelnen Forderungen zusammen, kämen Milliardenbeiträge heraus, so Schüssel. Dass der Fristsetzungsantrag zur Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel nur dank dem Fehlen von ÖVP- und Grün-Abgeordneten im Plenarsaal eine Mehrheit bekommen hatte, ist für Schüssel zwar "unangenehm", aber "nicht entscheidend".

Cap ortet "künstliche Aufregung"

SPÖ-Klubobmann Josef Cap hält die Empörung der ÖVP über die zahlreichen - auch zum Teil mit Hilfe der SPÖ - am Freitag im Parlament abgesegneten Fristsetzungsanträge sowie dem anfänglichen Fernbleiben aller SP-Regierungsmitglieder bei der Sondersitzung für "künstliche Aufregung". Offenbar wolle die ÖVP damit "von ihrem Abstimmungsdebakel bei der dringend notwendigen Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel ablenken", meinte der Klubchef am Samstag in einer Aussendung.

Die FPÖ hat am Samstag das Demokratieverständnis der ÖVP getadelt. Es sei "sehr bezeichnend", wenn VP-Klubobmann Schüssel die Nationalratssitzung vom Freitag als "politischen Basar" bezeichnet, meinte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl in einer Aussendung. Offenbar habe die ÖVP "Probleme mit dem Parlamentarismus" und ertrage es nicht, wenn Abstimmungen anders als von ihr gewünscht ausgehen. (APA)