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Gilt die Bewunderung der heiligen Landsfrau oder dem päpstlichen Besucher? Französische Nonnen während der Messe, die Benedikt XVI. am Sonntag in Lourdes feierte.

Foto: Carsten Koall/Getty Images

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Der Papst und seine Fangemeinde.

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"Hallo!" , ruft eine laute Stimme bei der Grotte, wo der 14-jährigen Müllerstochter Bernadette Soubirou 1858 mehrmals die Unbefleckte Empfängnis erschienen war. Aber nein, diesmal hat sich nicht Maria gemeldet, sondern ein Bühnentechniker, der ein Handy am Ohr hält. "Schsch" , zischt es ihm von allen Seiten entgegen: An diesem heiligen Ort wird nur geflüstert.

Ältere Damen mit Sonnenbrillen beten in sich zusammengesunken, eine Turnschuh-Teenagerin kniet mutterseelenallein auf dem nassen Steinboden. Eine schweigende Menschenschlange bewegt sich durch die halboffene Grotte. Dort hängen nicht mehr wie früher Krücken von Gelähmten, die plötzlich gehen konnten. Aber immer noch streifen verlangende Hände über die schwarzen Wände. Eine Mexikanerin steckt einem Hüter einen Zettel mit einem Wunsch zu, der im Innern der Grotte deponiert wird. Eine gewaltige Kerzenpyramide leuchtet. Eine von vielen: In Lourdes schmelzen jedes Jahr 700 Tonnen Wachs.

Es ist Samstag, und vergeblich "betet die Marienstadt für einen gnädigen Himmel" , wie das Lokalblatt République des Pyrenées berichtete. Sogar jene weißgekleideten Nonnen, die ein Banner mit der Aufschrift "La Consolation" (Der Trost) vor sich hertragen, streifen gelbe Pelerinen über. Nur die Pfadfinder singen auch im Regen.

Man hört viel Italienisch, Spanisch, auch Hochdeutsch. Viele Wallfahrergruppen sind eher wegen Bernadette als wegen Benedikt gekommen. "Der Papst-Besuch ist uns sozusagen in die Hände gefallen, denn die Reise war ohnehin geplant" , meint ein Redemptoristen-Pfarrer, der seit mehr als zwanzig Jahren Lourdes-Fahrten organisiert. Zum Papst will er sich gegenüber Journalisten nicht äußern - "Rom" bleibt im deutschsprachigen Raum auch unter Benedikt ein delikates Thema.

Der Kitsch stört nicht

Und der Souvenir-Kommerz, der die Altstadt von Lourdes in eine Art heiliges Disneyland verwandelt? "Schon kitschig, diese Plastikmadonnen, denen man den Kopf abschraubt, um Lourdes-Wasser aus der Grottenquelle einzufüllen" , meint der Pater. "Aber gut, mich stört das nicht."

Auch die meisten Pilger gehen ohne Blick auf die Marienstatuen, Engelsbilder, Rosenkränze, Messkerzen oder Papstpostkarten vorbei. Auffälligerweise bleibt der verstorbene Papst Johannes Paul II., ein großer Lourdes-Fan, in den Bilderständern präsenter als der "Neue" . "Benedikt XVI. verkauft sich noch nicht so gut" , bekennt eine Verkäuferin. "Er geht den Leuten eben nicht so ans Herz. Aber das wird sich geben."

Und zwar schon an diesem Wochenende. Gegen Abend landet Benedikt mit dem Hubschrauber auf dem Sportplatz des lokalen Rugbyvereins. Vergessen ist der monatelange Kirchenstreit in Lourdes, ob die hohen Rugbystangen zu diesem Zweck abgesägt werden müssten (sie wurden schließlich ausgegraben).

Benedikt besteigt sogleich das Papamobil und fährt den Pilgerweg ab: die Kirche Sacré-Coeur, dann das ärmliche Wohnhaus der kleinen, nach ihrem Tod heiliggesprochenen Bernadette und zum Schluss natürlich die Grotte. Dort entzündet der Pontifex eine Kerze und kniet zum Gebet. Als es dunkel wird, nimmt er an einer Lichterprozession teil, um sich dann von der Terrasse der Basilika aus an die Pilger zu wenden.

Am Sonntag, zum Höhepunkt seines zweitägigen Besuches in Lourdes, hält Benedikt vor rund 100.000 Gläubigen einen Gottesdienst ab. Endlich ist der Himmel gnädig. Die Messe ist ein Fest. Der gelbe Teppichboden vor dem Riesenaltar, die roten Messgewänder und die schwarze Waldkulisse zeichnen die Nationalfarben des deutschen Papstes, der die Geschichte der kleinen Bernadette nacherzählt. Danach verkaufen sich in den Souvenirläden endlich auch die Postkarten mit Benedikt. (Stefan Brändle aus Lourdes/DER STANDARD, Printausgabe, 15.9.2008)