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Krisengipfel der Union der Südamerikanischen Staaten (UNASUR) soll einen Weg aus der Krise weisen.

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Nahe am Bürgerkrieg: In der Provinz Santa Cruz nahmen bolivianische Bauern einen Gegner des Präsidenten fest.

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Boliviens Präsident Evo Morales rief am Wochenende in der Unruheprovinz Pando den Ausnahmezustand aus.

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Die Sorge um ein Ausufern der Krise in Bolivien hat die Nachbarländer auf den Plan gerufen. Heute, Montag, wollen sich die südamerikanischen Staats- chefs in Chiles Hauptstadt Santiago treffen, um Sofortmaßnahmen zu beraten und eine gemeinsame Position zu erarbeiten.

In Bolivien kommt es seit Tagen zu gewaltsamen Protesten in den von der rechten Opposition regierten und nach Autonomie strebenden Provinzen. Bei Angriffen auf Regierungseinrichtungen und Regierungsanhänger starben nach offiziellen Angaben bisher mindestens 30 Menschen. Die für das Andenland vitalen Erdgasexporte nach Brasilien und Argentinien mussten nach einem Anschlag kurzfristig gedrosselt werden.

Am Wochenende ließ der linke Präsident Evo Morales die Erdgasförderanlagen von Militärs bewachen und verhängte den Ausnahmezustand in der unruhigen Provinz Pando im Norden des Landes. Damit wurde dort das Tragen von Waffen verboten und die Versammlungsfreiheit eingeschränkt. Morales erließ außerdem einen Haftbefehl gegen den dortigen, oppositionellen Gouverneur Leopoldo Fernández wegen Bildung paramilitärischer Stoßtrupps. Fernández trage die Verantwortung für ein Massaker an 14 Indio-Bauern, überwiegend Morales-Anhänger, die am Donnerstag auf dem Weg zu einer Demonstration von Gegnern des Präsidenten getötet worden sind.

Internationalisierung droht

Beunruhigend für die Nachbarn ist vor allem die drohende Internationalisierung des Konflikts, die Erinnerungen an den Kalten Krieg aufkommen lässt. Boliviens linker Präsident Evo Morales hat den USA vorgeworfen, die "faschistisch-rassistischen Aufstände" zu unterstützen und seinen Umsturz zu betreiben. Sekundiert wurde er vom venezolanischen Staatschef Hugo Chávez, der sich ebenfalls für eine Zielscheibe US-imperialistischer Verschwörungen hält, wie Morales den US-Botschafter des Landes verwies, Unterstützung Moskaus erbat und Morales militärische Hilfe in Aussicht stellte. Chávez fürchtet um seine linke, lateinamerikanisch-karibische Allianz namens Alba, der neben Bolivien und Kuba noch Nicaragua und Honduras angehören, und die als ideologisches Gegengewicht zu den von den USA gewünschten Freihandelsverträgen konzipiert worden ist.

Aber nicht nur von den linken Verbündeten erhielt Morales Unterstützung. Auch Brasilien gab noch vor dem Gipfel zu verstehen, es werde unter keinen Umständen einen gewaltsamen Umsturz in Bolivien akzeptieren. Ähnlich äußerte sich Chile. Beide Länder sorgen sich um die regionale Stabilität. (siehe nebenstehender Bericht.) Sie werden sich als Vermittler in Bolivien anbieten, wo sich die Konfrontation zwischen Regierung und Opposition in den vergangenen Monaten drastisch verschärft hat.

Auslöser war die Verabschiedung einer neuen Verfassung, die von der Opposition boykottiert wurde. Vorgesehen sind darin vor allem mehr Rechte für die Urbevölkerung Boliviens, die Indigenas. Außerdem werden staatliche Kontrollen über die Wirtschaft, eine Obergrenze für Landbesitz und Autonomiestatuten für die Provinzen des Landes - die den oppositionellen Gouverneuren aber nicht weit genug gehen - eingeführt. Die Verfassung soll im Jänner 2009 zur Volksabstimmung vorgelegt werden.

Fraglich ist, wie die verhärteten Fronten zwischen beiden Seiten aufgeweicht werden können. Am Samstag bot Morales seinen Gegnern zwar Gespräche an und zeigte sich nach einem Treffen mit Mario Cossio, dem oppositionellen Gouverneur der Provinz Tarija, zu Änderungen an der Verfassung bereit. Kurz darauf verlangte er aber bei einer Veranstaltung vor seinen Anhängern, die Revolution zu verteidigen und notfalls fürs Vaterland zu sterben.

Morales wurde erst im August in einem Referendum im Amt bestätigt - ebenso wie die oppositionellen Gouverneure, die in Bolivien "Präfekten" genannt werden. In dem Konflikt geht es um Macht und Ressourcen. Die hellhäutige, wirtschaftlich dominierende Elite hat sich nie mit dem indigenen Präsidenten abgefunden und seine Regierung systematisch boykottiert.

Die Indigenas stellen rund 60 Prozent der Bevölkerung des Andenlandes, gleichzeitig zählen sie zu den ärmsten und benachteiligtsten Bewohnern. Morales ist der erste indigene Präsident in Bolivien. Die Elite wirft ihm vor, nur für die Indigenas des Hochlands zu regieren, während sich die Ressourcen - fruchtbares Land und Gas - im Tiefland befinden und der Staat von dort den Großteil seiner Steuern bezieht. (Sandra Weiss/DER STANDARD, Printausgabe, 15.9.2008)