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Falls Boliviens Präsident gestürzt oder gar getötet werden sollte, "werde ich nicht mit verschränkten Armen dasitzen" , kündigte der venezolanische Staatschef Hugo Chávez am Wochenende an. Er reagierte damit auf eine scharfe Stellungnahme des bolivianischen Armeekommandeurs Luis Trigo, der in Richtung Venezuela erklärt hatte, seine Streitkräfte würden "keiner fremden Macht erlauben, unser Territorium zu betreten" .

Chávez ist das ideologische Vorbild von Morales und als Präsident des ölreichen Staates Venezuela auch dessen finanzieller Förderer. Bei dem heute, Montag, in Santiago de Chile beginnenden Gipfel der zwölf Staaten der "Union südamerikanischer Nationen" (Unasur) werde er klarmachen, dass "in Bolivien ein Putsch gegen Morales bereits im Gang ist" , verkündete Chávez inCaracas. "Sie stürzen ihn vor unserer Nase, und das wird fürchterliche Folgen haben" , sagte Chávez und machte für den schleichenden Staatsstreich US-Präsident George Bush verantwortlich.

In der erst im Mai dieses Jahres gegründeten Unasur, die langfristig zu einer Art EU Südamerikas werden soll, trifft Chávez allerdings auf gemäßigt-linke Regierungschefs, die eine Eskalation unbedingt vermeiden wollen. Luis Inácio Lula da Silva, Präsident von Brasilien, das 180 Millionen Einwohner hat, kündigte bereits an, dass er als Vermittler in Bolivien, wo nur neun Millionen Menschen leben, eine aktive Rolle spielen werde. Die spanische Zeitung El País berichtete am Sonntag, dass Lula eine entsprechende Nachricht auch an die US-Regierung geschickt habe. Damit habe er einerseits die Regierung Bush beruhigen, andererseits sein Einflussgebiet abstecken wollen. Brasilien bezieht die Hälfte seines Erdgasbedarfs aus Bolivien, und speziell die hochindustrialisierte Region um São Paulo ist stark davon abhängig.

Ein ähnlich starkes Interesse an einer Beilegung des Konflikts hat auch Chiles sozialistische Präsidentin Michelle Bachelet, die derzeit den Unasur-Vorsitz innehat. Auch sie macht bei Chávez' Konfrontationskurs gegen die USA nicht mit. Chile hätte zudem gern Gas aus Bolivien. Die Beziehungen zum Nachbarland Bolivien sind aber problematisch, seit Chile im Salpeterkrieg 1879 dessen am Pazifik gelegene Provinz Antofogasta erobert hat. Dass sie seither in einem Binnenstaat leben, haben die Bolivianer nie vergessen. In Krisenzeiten kochen gern antichilenische Emotionen hoch.

Die größte Aufmerksamkeit wird in Santiago wohl auf Chávez gerichtet sein. Als schlauer Taktiker hat der Ex-Militär auch Alternativpläne bereit. So sagte er nach dem Hinauswurf des US-Botschafters aus Caracas, dass er nach den Wahlen in den USA um die Entsendung eines anderen Diplomaten ersuchen werde. Zu den Befürchtung, er wolle sich von Russland aufrüsten lassen, sagte Chávez, er werde bald nach Peking reisen, um K8-Militärjets zu kaufen. Er müsse sich nach neuen Lieferanten umsehen, weil ihm die USA Ersatzteile für dort gekaufte Jets verwehrten, sagte Chávez, der dann gleich wieder drohte: Für Ende des Jahres plane Venezuelas Marine ein Seemanöver - mit russischer Beteiligung. (Erhard Stackl/DER STANDARD, Printausgabe, 15.9.2008)