Foto: Standard/Urban
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"Selbstbewusste Männer haben keine Probleme, Chancengleichheit zu unterstützen" - und SPÖ-Vorsitzender Werner Faymann ist so einer, meint Ministerin Silhavy.

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STANDARD: Ich hab ein paar Zitate rausgesucht und würde gern wissen, was Sie dazu sagen: "Adam war nichts als ein roher Entwurf, und die Schöpfung des Menschen ist Gott erst völlig gelungen, als er Eva erschaffen hat."

Silhavy: Das kann ich unterstreichen. (lacht)

STANDARD: "Gerade die von Frauen errungenen Erfolge rufen neue Angriffe gegen sie hervor."

Silhavy: Das stimmt. Wenn wir Fortschritte erzielen, gibt es immer kreative Versuche der männerdominierten Gesellschaft, diese über Umwege wieder auszuschalten.

STANDARD: Letztes Zitat: "Frauen sind nicht etwa die besseren Menschen, sie hatten bisher nur nicht so viel Gelegenheit, sich die Hände schmutzig zu machen."

Silhavy: Ich glaube an das Gute im Menschen, sonst wäre ich nicht in die Politik gegangen. Es gibt aber Symptome, die eher männerdominiert sind. Ich habe viel mit Gewaltschutzzentren zu tun, und da sind eher die Frauen Opfer.

STANDARD: Sind Sie eine Emanze?

Silhavy: Ich würde mich als emanzipierte Feministin bezeichnen.

STANDARD: Ist das Wort "Emanze" für Sie negativ konnotiert?

Silhavy: Es ist ein Wort, das mit Selbstbewusstsein zu tun hat und damit, dass man in der_Lage ist, ein selbstbewusstes, selbstbestimmtes Leben führen zu können. Dazu bin ich in der Lage, und daher fühle ich mich als Emanze. Ich nehme für mich auch in Anspruch, mein Leben frauenpolitisch auszurichten, daher sehe ich mich auch als feministische Emanze.

STANDARD: Was heißt "frauenpolitische Ausrichtung" des Lebens, wenn man einen Sohn erzieht?

Silhavy: Das heißt vor allem, den Partner so mitzuerziehen, dass er die gemeinsame Erziehung des Kindes mitträgt und auch Vorbildwirkung hat. Das heißt, dass auch der Partner bügelt, kocht und sich den Haushalt teilt. In einer Beziehung, wo beide berufstätig sind, sollte das üblich sein.

STANDARD: Wurden Sie als Frau diskriminiert?

Silhavy: Ja, das fängt bei simplen Dingen an, zum Beispiel muss ich mich fast permanent männlich anreden lassen. Das sind Alltagsdiskriminierungen, aber früher wurde auch mein Gehalt automatisch niedriger eingestuft als bei meinen männlichen Kollegen. Wenn man meint, ein Stück vorwärtsgekommen zu sein, kommt schon wieder der nächste Rückschritt.

STANDARD: Ist Feminismus auch eine Generationenfrage? Viele jüngere Frauen haben bereits das Gefühl, dass ihnen alles offensteht.

Silhavy: In der Existenzfrage waren die Diskriminierungen früher sicher stärker und prägender. Für meine Mutter war es noch nicht selbstverständlich, arbeiten zu gehen. Bis Mitte der Siebziger konnte es der "Haushaltsvorstand" einer Frau sogar untersagen. Ich wollte immer wirtschaftlich unabhängig sein. Als ich in die Schule gegangen bin, hat aber meine eigene Großmutter gesagt: Wozu muss denn das Mädl maturieren? Heute nehmen Frauen, vor allem mit guter Bildung, existenzielle Diskriminierungen nicht mehr so wahr. Im ländlichen Raum zum Beispiel gibt es weniger Möglichkeiten für ein emanzipiertes Leben, und es kommt nicht von ungefähr, dass viele Frauen in die Stadt gehen.

STANDARD: Als Sie Ministerin geworden sind, hat die Austria Presse Agentur getitelt: "Neue Aufgabe für unauffällige Staatssekretärin". Ärgert Sie dieses Attribut?

Silhavy: (lacht) Ja, schon. Ich habe meines Erachtens in der Bioethikkommission und im Bereich E-Government viel weitergebracht. Ich habe viel getan zum Thema Barrierefreiheit, ich habe mich in der Regionalpolitik stark eingebracht und vieles mehr. Aber als Staatssekretärin kann man halt keine Gesetze machen. Auf der anderen Seite bin ich lieber unbekannt, als nur in der "Seitenblicke"-Gesellschaft vorzukommen. Dort macht man keine Politik - zumindest nicht so, wie ich sie machen will.

STANDARD: Haben Sie das Gefühl, dass man da reingedrängt wird? Oder kann man das steuern?

Silhavy: Beides trifft zu. Ich nutze diese „Seitenblicke"-Gesellschaft nicht, und dann läuft man Gefahr, dass man weniger oft in den Medien vorkommt, was auch nicht das Nonplusultra in der Politik ist. Ich besuche gern Veranstaltungen, die einen Zweck haben, den ich für sinnvoll erachte - gegen Aids, für Gleichstellung von Homosexuellen und so weiter. Aber irgendwo aufzutreten, nur um erwähnt zu werden - das ist nicht meins.

STANDARD: Erwartet man von Frauen, dass sie ihr Familienleben öffentlich thematisieren?

Silhavy: Das glaube ich nicht. Wo Frauen sicherlich anders in den Medien behandelt werden, ist in der Frage des Outfits. Wenn ein Mann über mein Styling urteilt, kränkt mich das nicht.

STANDARD: Sie meinen, von Ihnen wird erwartet, dass Sie in der Früh länger über Ihr Outfit nachdenken als Ihre Ministerkollegen?

Silhavy: Das würde ich annehmen.

STANDARD: Wo ist denn im Wahlkampf die Frauenpolitik?

Silhavy: Sie kommt in allen Bereichen zum Ausdruck. Zum Beispiel leiden gerade die Frauen unter der Teuerung, weil sie geringere Einkommen haben als Männer - das wirkt also ausgleichend. Der direkte frauenpolitische Ansatz liegt zum Beispiel darin, dass wir versuchen, die Quote für Aufsichtsräte durchzubringen, und ich versuche, das öffentliche Vergabewesen an Frauenförderung und Gleichbehandlung zu binden. Ich wehre mich dagegen, dass wir Vereinbarkeit von Beruf und Familie als Frauenthema werten, obwohl ich weiß, dass überwiegend Frauen betroffen sind. Es muss der frauenpolitische Ansatz sein, Maßnahmen zu treffen, damit sich die Eltern die Betreuungsarbeit für Kinder teilen. Mit der Väterkarenz oder dem Papamonat kann man zu einem echten Halbe-halbe kommen.

STANDARD: Mit der ÖVP hat die SPÖ bekanntlich keinen Papamonat zusammengebracht.

Silhavy: Ich habe selber miterlebt, dass Familienministerin Andrea Kdolsky versucht hat, ihre männlichen Ministerkollegen zumindest zu einem Gesprächstermin zu drängen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass man mit Staatssekretärin Christine Marek über so etwas reden kann. Da gibt es schon Gesprächspartnerinnen, und das wird sicher kommen.

STANDARD: Was ist Ihnen denn durch den Kopf gegangen, als die ÖVP im Wahlkampf flexibleres Kindergeld gefordert hat?

Silhavy: Als Erstes musste ich schmunzeln, weil es sehr leicht durchschaubar ist. Andererseits hat es auch die Hoffnung geweckt, dass wir es schaffen, uns mit der ÖVP doch noch vor den Wahlen einigen zu können. Ich glaube nur, dass wir keine Regierungsvorlage zusammenbringen werden. Es ist jedenfalls ein Zeichen, dass sich auch in der ÖVP die Erkenntnis durchsetzt, dass ein Kindergarten eine Bildungseinrichtung ist. Mit dieser Erklärung können sie sich nie wieder davon distanzieren - insofern freut mich das.

STANDARD: Was halten Sie denn von Quoten?

Silhavy: Ich bin überzeugt davon, dass Quoten notwendig sind. Sie sind ein Hilfsmittel, weil wir gesellschaftlich noch nicht so weit sind, dass beide Geschlechter gleiche Chancen haben.

STANDARD: Quoten kann man auch als Bevorzugung von Frauen sehen - ist das nicht Wind in den Segeln der Anti-Feministen?

Silhavy: In der SPÖ haben wir eine Mindestquote für das jeweils geringer vertretene Geschlecht, also können auch Männer nicht unter 40 Prozent fallen. Ich kenne natürlich diese Quotenfrauen-Diskussion. Damit habe ich aber kein Problem, die Frauen können bei der Qualifikation locker mithalten.

STANDARD: Stoßen Sie mit Ihren frauenpolitischen Ansichten parteiintern an Grenzen?

Silhavy: Wir haben in der SPÖ einen Parteivorsitzenden, der emanzipiert und selbstbewusst genug ist, Frauenanliegen ehrlich zu unterstützen. Das spiegelt sich natürlich nicht auf jeder Ebene wieder. Aber selbstbewusste Männer haben keine Probleme, Chancengleichheit zu unterstützen.

STANDARD: Sie sind als Ministerin angetreten, als die Regierung schon in Auflösung befindlich war. Sind Sie auf den Geschmack gekommen?

Silhavy: Ich möchte Ministerin bleiben, wenn wir viele unserer frauenpolitischen Vorstellungen in einer nächsten Regierung umsetzen können. Frauenministerin zu sein ist sicher eine tolle Aufgabe. (Andrea Heigl, DER STANDARD, Printausgabe, 15.9.2008)