Am vergangenen Freitag tat das Parlament, was Parlamente eigentlich tun sollen: Es stimmte ab. Soweit wäre das noch nicht weiter überraschend, die Ergebnisse der Abstimmung sind es jedoch. Die Folge des "Freien Spiels der Kräfte" - Gegner sprechen eher vom Handel wie auf einem orientalischen Basar - waren ungewöhnliche und unerwartete gemeinsame Beschlüsse. Da gingen alle außer die Roten beim grünen Antrag auf Gratis-Öffis für Junge mit; die Sozialdemokraten unterstützten die Idee, die Einberufung von U-Ausschüssen als Minderheitenrecht einzurichten; eine rot-grün-blaue Allianz stimmte für die Abschaffung der Studiengebühren.

Insgesamt 52 Anträge wurden eingebracht, 26 Fristsetzungsanträge angenommen, die in der letzten Sitzung der Legislaturperiode am 24. September endgültig zur Abstimmung kommen. derStandard.at hat für Sie zusammengefasst, welche Anträge das sind, wie die Chancen auf Zustimmung stehen und welche Allianzen zu erwarten sind. Nichts ist fix: Auch wenn eine Partei mitgeholfen hat, einen Antrag auf die Tagesordnung zu setzen, bedeutet das noch lange keine Zustimmung zum Gesetz.

Einige sehr ähnliche Anträge wurden von verschiedenen Parteien eingebracht, so etwa die auf Einführung eines Einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes (grüner Antrag vs schwarzer Antrag). Der Großteil der Anträge dreht sich im weitesten Sinn um "Wahlzuckerl" - Von Pensionserhöhungen bis Mehrwertsteuersenkung.

Einstimmig angenommen

Fünf Anträge wurdem am vergangenen Freitag einstimmig, also von allen fünf im Parlament vertretenen Parteien, angenommen. Bei ihnen kann man so gut wie fix davon ausgehen, dass sie auch in der Sitzung vier Tage vor der Wahl durchgehen.

  • Antrag der ÖVP: Einführung eines Österreich-Tickets. Ein für alle öffentlichen Verkehrsmittel gültiges Ticket soll geschaffen werden. Die Finanzierung, so eine zusätzliche nötig ist, soll durch "ressortinterne Umschichtungen" im Verkehrsministerium ermöglicht werden.
  • Antrag der ÖVP: Änderung im Kriegsopferversorgungsgesetz. In den Bereichen des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, des Opferfürsorgegesetzes, des Heeresversorgungsgesetzes und des Verbrechensopfergesetzes sollen daher die Renten bzw. die Höchstbeträge für den Verdienst-und Unterhaltsentgang schon mit 1. November 2008 valorisiert werden.
  • Antrag der SPÖ: Änderung des Bundespflegegeldgesetz. Das lange umstrittene neue Pflegemodell findet jetzt die Unterstützung aller Parteien. Darin vorgesehen ist zum Beispiel eine Erhöhung des Pflegegelds.

Schwarz-Blau-Orange

Auch die Ex-Ex-Regierungskoalition fand einige Gemeinsamkeiten. ÖVP, FPÖ und BZÖ stimmten unter anderem dafür, die Arbeiterkammerumlage zu senken - was von einigen Medien als "Racheakt" an der SPÖ gewertet wurde.

  • Antrag der ÖVP: Änderung des Strafgesetzbuchs. Ausnahmen für die neuen Korruptionsbestimmungen sollen geschaffen werden, um "den Bogen der Kriminalisierung im öffentlichen Leben nicht zu überspannen". Sozial adäquate Aufmerksamkeiten und Geschenke, wie es etwa beim Sponsoring oft der Fall ist, sollen ausgenommen sein.

Schwarz-Grün-Blau-Orange

Alle außer die SPÖ: Mit der Öffi-Offensive der Grünen konnten die Sozialdemokraten nicht viel anfangen. Die anderen Anträge, bei denen die SPÖ nicht mitgestimmt hat, sind aber in weiten Bereichen ident mit eigenen roten Vorschlägen.

  • Antrag der Grünen: Gratis-Öffis für Junge und Ausbauoffensive. Ein Qualiitätsschub und eine Ausbau-Offensive sollen die Öffentlichen Verkehrsmittel attraktiver machen. Außerdem sollen Öffis für Kinder, Schüler und Lehrlinge ganz sowie für Studenten teilweise gratis werden.

Schwarz-Grün-Blau

SPÖ und BZÖ haben nicht für den Ausstiegs-Pakt der Grünen aus traditionellen Energiequellen gestimmt.

  • Antrag der Grünen: Raus aus Öl und Gas. Der Ausstieg aus Öl, Gas, Kohle und Atomstrom soll erleichtert werden. Der Zugang zu alternativen Energien soll leistbar werden.

Rot-Blau-Orange

Brisant ist vor allem der blaue Antrag, der eine verpflichtende Volksabstimmung über wichtige EU-Verträge vorsieht. BZÖ und SPÖ schlossen sich ihm an.

  • Antrag der FPÖ: Pensionistenpreisindex. Die Pensionanpassung soll künftig mindestens in Höhe des Pensionistenpreis-Index erfolgen.
  • Antrag von SPÖ/FPÖ: Änderung des Preisgesetzes. Eine Ergänzungsregelung zur Senkung des Mehrwertsteuersatzes: Die Prüfverpflichtungen des Wirschaftsministers werden verstärkt, besonders soll überprüft werden, ob der Handel die Preissenkungen tatsächlich weitergibt.

Rot-Grün-Blau-Orange:

Alle außer die ÖVP sind dafür, dass die Einberufung von U-Ausschüssen in Zukunft ein Minderheitenrecht sein soll. Auch für eine Finanzspritze, die Österreichs Unis zu Gute kommt, konnten sich außer der Volkspartei alle erwärmen.

  • Antrag der Grünen: U-Ausschüsse als Minderheitenrecht. Die Einberufung eines Untersuchungs-Ausschusses soll künftig als parlamentarisches Minderheitenrecht ausgestaltet werden.
  • Antrag von SPÖ/FPÖ/Grünen: Bessere finanzielle Ausstattung der Unis. Die Investitionen in den tertiären Bildungssektor sollen bis 2020 auf zwei Prozent des BIP erhöht werden. Das wäre eine jährliche Erhöhung von mindestens 200 Millionen Euro.

Rot-Blau

Der wohl meistdiskutierte Antrag: Die Mehrwertsteuersenkung für Lebensmittel, die ein Teil von Werner Faymanns Fünf-Punkte-Paket ist. Der Antrag wäre fast gekippt, hätten nicht einige VP-Abgeordnete bei der Abstimmung gefehlt und so eine rot-blaue Mehrheit ermöglicht.

  • Antrag von SPÖ/FPÖ: Änderung Umsatzsteuergesetz. Die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel soll von 10 auf 5 Prozent gesenkt werden. Der Finanzminister kann mittels Verordnung eine Liste von Luxuslebensmitteln erlassen, die von der Senkung ausgenommen werden.

Rot-Blau-Orange

Die Forderung des BZÖ: Wenn schon Mehrwertsteuersenkung, dann auch auf Medikamente. Die SPÖ und die FPÖ stimmten zu.

Rot-Grün-Blau

Thema Nummer Eins war vergangene Woche die geplante Abschaffung der Studiengebühren. Eine Allianz aus SPÖ, FPÖ und Grünen stimmte dafür.

Rot-Schwarz-Blau-Orange

Alle außer den Grünen waren sich einig, dass der Preis für die Autobahn-Vignette 2009 nicht erhöht werden soll.

  • Antrag der FPÖ: Vorlage eines schriftlichen Ausschussberichtes aus dem U-Ausschuss.

Rot-Schwarz-Grün-Blau:

Zwei Anträge, ein Gedanke: Ein Einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld soll mehr Väter in die Karenz locken.

(Anita Zielina, derStandard.at, 17.9.2008)