Wien - Herzinfarkt & Co. werden von der Gesellschaft als Krankheiten akzeptiert, es gibt massive Bemühungen in Prävention, Frühdiagnose, nachhaltige Therapie und Rehabilitation. Doch dass weltweit mehr als eine Milliarde Menschen an chronischen Lungenerkrankungen leiden, wird im Vergleich dazu verdrängt. Dabei sind diese Patienten zumeist auch noch von anderen chronischen Leiden betroffen, betonten am Montag Fachleute bei einer Pressekonferenz in Wien aus Anlass der bevorstehenden Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖPG; 18. bis 20. September).

Tod durch Lungenleiden

Die Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), welche die Generalsekretärin der European Respiratory Society, die Wiener Pneumologin Sylvia Hartl (Otto Wagner-Spital) präsentierte: 300 Millionen Menschen leiden an Asthma bronchiale, 210 Millionen haben eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), 400 Millionen Patienten leiden unter einer chronischen Rhinitis (Allergien), mehr als 100 Millionen Personen haben Schlafstörungen aufgrund von Atmungsproblemen. Die Forderung der Expertin: "Es sterben jährlich vier Millionen Menschen an chronischen Lungenleiden. Wir brauchen Medikamente, Frühdiagnose, Rehabilitation, gesunde Ernährung etc. als 'Public Health-Programm'. Wir brauchen gezielte Programme jetzt, nicht morgen oder erst nachdem die Finanzierung der Krankenkassen gesichert ist."

Jeder Zweite hat zusätzliche Erkrankung

Otto Burghuber, Präsident der ÖGP und Abteilungsvorstand am Otto Wagner-Spital, betonte, dass viele chronische Lungenerkrankungen eng mit anderen Leiden zusammenhängen: "Jeder zweite COPD-Patient hat auch eine zusätzliche Erkrankung. Mehr als 50 Prozent leiden an Bluthochdruck, koronarer Herzkrankheit, metabolischem Syndrom oder Osteoporose. Alle COPD-Patienten in den schwereren Stadien III und IV haben auch eine Osteopenie oder eine Osteoporose." Muskelschwund, Depressionen und Anämie kämen oft noch hinzu. Kranken mit mittelschwerer COPD - zumeist die Folge des Rauchens - sterben in der Folge "nur" 35 Prozent an der Lungenerkrankung, hingegen 27 Prozent an Herzleiden und 21 Prozent an Krebserkrankungen.

Auswirkungen auf die Lunge

Umgekehrt scheinen sich andere chronisch entzündliche Erkrankungen auf auf die Lunge auszuwirken. Deshalb wollen die österreichischen Pneumologen bei dem Kongress auch verstärkt Co-Erkrankungen und den Einfluss von Lunge auf den Gesamtmechanismus und umgekehrt diskutieren. Michael Studnicka, Chef der Universitätsklinik für Pneumologie in Salzburg: "Die Lunge ist die Eintrittspforte für eine Unmenge an Schadstoffen. Der Feinstaub (aus der Luft, Anm.) konnte sogar im Knochenmark und im Gehirn nachgewiesen werden." Patienten mit chronischer Polyarthritis bekommen immer häufiger hoch wirksame Biotech-Medikamente, die wiederum eine Lungenfibrose auslösen können.

Die schnelle Vernarbung des Stützgewebes der Lunge (interstitielle Lungenfibrose) ist hier ein weiteres Thema des Jahreskongresses der Pneumologen. Rolf Ziesche von der MedUni-Wien: "Kernproblem ist eine fortschreitende Vernarbungsreaktion, die völlig unabhängig geregelt ist." Ein einmal durch irgendeine Ursache gesetzte Schädigung führt zu einer überschießenden Bildung von Narbengewebe, welches die Lunge zerstört. Der Experte: "Die Menschen ersticken am lebendigen Leib. Hier zeigen sich Mechanismen, die wir auch in Tumoren finden."

Behandelbar ist die die interstitielle Lungenfibrose derzeit nur sehr mangelhaft. Das Problem ist auch altersabhängig. In der Altersgruppe unter 50 registriert man rund zehn Fälle pro 100.000 Einwohner und Jahr, in der Altersgruppe der über 65-Jährigen sind es 120 bis 180 Neuerkrankungen je 100.000 Menschen und Jahr. (APA)