Imphal/Wien - Die indische Regierung soll Armeeangehörige, Paramilitärs und Polizeipersonal, die verantwortlich sind für Morde und Folter im nordostindischen Bundesstaat Manipur, zur vollen Verantwortung ziehen. Das forderte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) in einem am Montag veröffentlichten Bericht. Die indische Justiz habe bei der Aufklärung dieser Verbrechen "vollkommen versagt", so HRW.

Der Bundesstaat wird seit Jahren erschüttert von Gewalttaten von Staatsdienern gegen Zivilisten. Unter dem Schutz des "Armed Forces (Special Powers) Act" (AFSPA) würde die Armee seit 50 Jahren wiederholt Menschenrechtsverbrechen begehen, so der Report. Unter anderem lauten die Vorwürfe auf Folter, Mord, willkürlichen Einsatz von Bomben und Landminen, Zwangsrekrutierung und Vergewaltigung. Soldaten und Polizisten seien dabei durch Gesetze geschützt, die ihnen Immunität gewähren, so Meenakshi Ganguly, einer der Forscher von HRW und Autor des Berichts. Außerdem seien zuständige Behörden nicht gewillt, die Staatskräfte für ernsthafte Verbrechen zu bestrafen.

Untersuchungen blockiert

Traurige Berühmtheit erlangte unter anderem der Tod von Thangjam Manorama Devi, die beschuldigt wurde, einer militanten Gruppierung anzugehören. Sie wurde von Soldaten offiziell festgenommen, ihr Körper am nächsten Tag von Kugeln durchsiebt in der Nähe ihres Hauses gefunden. Versuche, die Verantwortlichen für den Mord und die vermutlich stattgefundene Vergewaltigung Manaromas zu identifizieren und zu bestrafen, wurden von der Armee bisher blockiert.

Der Report spricht von "encounter killings" (Tod in einem Gefecht), da die verantwortlichen Staatskräfte nach ähnlichen Zwischenfällen oft davon berichteten, die Verhafteten seien im Zuge einer bewaffneten Auseinandersetzung mit Rebellen oder auf der Flucht getötet worden. HRW stellt in dem Report fest, dass diese "encounter killings" oft inszeniert oder falsch sind. "Sicherheitskräfte umgehen das Gesetz und töten Menschen auf Vermutungen hin, statt sie vor einen Richter zu bringen", klagt Ganguly.

Aufforderungen, den AFSPA abzuschaffen, wurden von der indischen Regierung weitgehend ignoriert. HRW forderte in dem Report die gründliche Untersuchung von Fällen, in denen Armee oder Polizei offenkundig des Mordes verdächtigt werden müssten.

Manipur wurde in den letzten fünf Dekaden häufig Schauplatz von Menschenrechtsverbrechen unter dem Deckmantel von Operationen gegen Rebellen. Auch separatistische Milizen verüben dort häufig Anschläge. Seit Beginn des Konflikts vor etwa 50 Jahren sind nach inoffiziellen Schätzungen über 20.000 Menschen durch Gewalttaten ums Leben gekommen.

Manipur liegt im Nordosten Indiens und hat etwa zwei Millionen Einwohner. (APA)